Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der „White Cube“war einmal

- Von Harald Ruppert

Routiniert­e „Kunstgänge­r“machten im letzten Jahr große Augen, als sie die große Otto-Dix-Ausstellun­g im Zeppelin-Museum be- traten. Farbige Wände gab’s ja schon im Absolutism­us, das war nichts Neues. Aber dass auf der Wand die Farben diagonal aufeinande­rstießen, dass die Farbwechse­l teils mitten hinter den gehängten Bilder durchliefe­n – musste das sein? Da stahl doch die Wand dem Kunstwerk die Schau. Nichts gegen bunte Wände, wenn die Wand selbst zum Ausstellun­gsstück wird. Aber in einem solchen Fall wird sie von einem Künstler bemalt, der beispielsw­eise Platino heißt – und der war im Zeppelin-Museum ja bereits im Jahr 2011 am Werk, im Auftrag des Kunstverei­ns.

Wer mit der Dix-Präsentati­on nicht zufrieden war, wird mit der aktuellen Max-Ackermann-Ausstellun­g nicht glückliche­r: Die Wände sind noch vielfarbig­er, gar mit Ornamenten überzogen. Mit einigem Abstand verwandeln sie sich zu Buchstaben. Es ergibt sich das Spruchband „DER MOTIVSUCHE­R“– der Ausstellun­gstitel also. Wem es da zu bunt wird, der geht besser ins Kunstmuseu­m Ravensburg. Dort wird ebenfalls ein Klassiker der Moderne gezeigt: Karl Schmidt-Rottluff ; auf farbigen, aber eben einfarbige­n Wänden.

Allerdings führt man im Häfler Zeppelin-Museum gute Gründe für diese Farbgestal­tung an. So hat die verwendete Farbpalett­e viel mit Ackermann zu tun. Sie stammt aus seinem Bild „Deutschlan­d“(1927), das in der Ausstellun­g zu sehen ist. Zudem ist der Raumeindru­ck im Ganzen durchaus angenehm. „Wir haben die Farben gedämpft und für eine wärmere Beleuchtun­g gesorgt“, sagt Museumsche­fin Claudia Emmert. Sie findet nicht, dass die Wandgestal­tung zu einem Bild für sich wird. Ihr ging es darum, den Charakter des Raumes zu ändern, denn: „Dieser Raum war immer ein dunkles Loch und von oben drückte die Decke.“

Den Boden der Ackermann-Ausstellun­g hellen jetzt Sperrholzp­latten auf, die Decke wurde geöffnet; Maßnahmen, die dem Raum gut tun. Einem Raumcharak­ter, der sich von Ausstellun­g zu Ausstellun­g wandeln soll. Auch deshalb die Arbeit mit den Farben. Wenn das Museum sich mit einem immer wieder neuem Gesicht präsentier­t, bleibt es insbesonde­re für die Häfler interessan­t und sie kommen wieder, so das Kalkül.

Aber müssen hinter Ackermanns Bildern denn nun wirklich in Schrägen und Kurven die Farben wechseln? „Darauf haben wir beim Hängen keine Rücksicht genommen“, sagt Claudia Emmert. Das bleibt also Geschmacks­sache. Die Ackermann-Ausstellun­g macht immerhin eines deutlich: Die Ära des „White Cube“, des neutralen Ausstellun­gsraums, ist vorbei. Das gilt für das Zeppelin-Museum zwar nicht erst seit gestern. Doch ohne manchen Kunstgänge­r, der sich über die Buntheit der Ackermann-Ausstellun­g im Zeppelin-Museum aufregt, hätte man es kaum bemerkt.

Nun zu den Kulturtipp­s für diese Woche: Schon ausverkauf­t ist die Lesung von Robert Menasse aus seinem Roman „Die Hauptstadt“am heutigen Montag im Kiesel. Mit einer Dokumentat­ion über die kurdische Politikeri­n Leyla Imret werden im Kiesel am Donnerstag, 1. März, um 19.30 Uhr die zehnten Filmtage eröffnet. Bis Montag, 5. März, sind acht Dokumentar­filme und 28 Kurzfilme zu sehen.

Eine gallige Komödie über die Abgründe hinter den Kulissen der Bürgerlich­keit zeigt das Staatsscha­uspiel Dresden im Graf-Zeppelin-Haus Eugéne Labiches Stück „Die Affäre Rue de Lourcine“am Samstag, 3. März, 19.30 Uhr, und am Sonntag, 4. März, 17 Uhr. Und im Casino ist am Samstag, 3. März, 20 Uhr, das Trio des dänischen Gitarriste­n Jakob Bro zu Gast. Es steht für minimalist­ische, aber sehr melodiöse Musik.

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