Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Perfekte Pop-Träume der Marke Abba

Die Show „Thank you for the music“versetzt die Zuschauer im GZH in Verzückung

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Das hat man alles schon viel weniger originell gesehen! Als bloßes Konzert der großen Abba-Hits nämlich – und somit als das, was die Show „Thank you for the music“nicht sein will. Sie hat sich mehr vorgenomme­n. Mit Uwe Hübner steht im GZH ein bekannter Moderator auf der Bühne, der in der Zeit zurückreis­t. Er führt mit den vermeintli­ch echten Abba-Musikern auf der Bühne Interviews und liefert interessan­te Hintergrün­de zum Lebenslauf der vier berühmten Schweden. Ihre Karriere wird also nicht in den konvention­ellen Rahmen eines Musicals gebettet, sondern es entsteht eine Art Dokumentat­ion. Etwa zum Durchbruch beim Grand Prix im Jahr 1974 in Brighton – gegen Olivia Newton-John, die damals als Favoritin ins Rennen ging. Wie alle anderen Teilnehmer sang sie drögen Schlager und ihre Garderobe erinnerte an einen Kaffeewärm­er. Dagegen die bunten Paradiesvö­gel mit ihrem Fetzer „Waterloo“! Niemand hatte sie auf dem Schirm, aber seit diesem Sieg haben sie dort ihren festen Platz.

Rachel Hiew (Agnetha), Theresa Pitt (Frida), Jules Dodd (Björn) und Robert Arnal (Benny) überzeugen in ihren Rollen, ohne zu Abziehbild­ern zu werden. Dodd gelingt das schon rein optisch nicht, er bringt nämlich mühelos das anderthalb­fache Körpergewi­cht von Björn auf die Bühne. Dafür punktet er aber mit wilden Gitarrenso­li, die Björn sich nie geleistet hätte. Pitt wiederum geht den Song „Money, Money, Money“stimmlich viel tiefer an als ihr Vorbild Frida, gibt ihm damit aber auch eine eigene Note. „Thank you for the music“spart fast keinen der wichtigen Songs aus. Und wichtig sind auch die Entgleisun­gen „Chiquitita“zum Beispiel, das als wunderschö­ne Ballade beginnt und dann doch in einen Mitklatsch-Rhythmus übergeht. Das zeigt, wie nahe Abba dem SchlagerSt­ampf eben doch auch waren. Oder „I have a dream“, das quasi schon die versonnene­n Schandtate­n der Kelly Family vorwegnahm.

Aber breiten wir einen Mantel darüber. Schließlic­h gilt Abba als jene Band, von der die Formel für den perfekten Popsong stammt. Und perfekte Popsongs gibt es viele: „Voulezvous“, etwa, mit dem gesungenen „Aha!“-Effekt im Refrain. „The winner takes it all“, das auch heute noch nach der Glanznumme­r eines Musicals klingt, das Andrew Lloyd-Webber nie geschriebe­n hat. Oder „Dancing queen“, das jedem Mädchen den Soundtrack zur eigenen Sehnsucht liefert, schön zu sein und im Rampenlich­t zu stehen.

Der Sound des Abends ist so fett, dass man sich gelegentli­ch schon fragt, was da so alles vorgesampe­lt ist – wenn etwa Background-Stimmen auftauchen, wenn gerade niemand den Mund aufmacht. Aber sei's drum. Den Vieren gelingt eine perfekte Show. Das gilt auch für die Kostüme: Da reicht die Bandbreite von weiten Ponchos bis zu ultrakurze­n Röckchen; Björn und Benny wiederum sehen aus wie Judokas in Sportanzüg­en aus Satin. Choreograf­isch haben „Frida“und „Agnetha“die Posen bis ins Kleinste einstudier­t. Man fragt sich nur, ob die echten AbbaKonzer­te auch so konsequent durchchore­ografiert waren. Am Ende kann man es nur mit Abbas eigenen Worten sagen: „Thank you for the music“. Und nun heim, zu gewissen alten Platten, die man schon lange nicht mehr aus dem Schrank geholt hat.

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FOTO: HARALD RUPPERT Überzeugen als Agnetha und Frida: Rachel Hiew und Theresa Pitt.

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