Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Steppenwolf lernt das Leben leben
Badische Landesbühne zeigt leichthändige Dramatisierung von Hesses Kultroman
FRIEDRICHSHAFEN - Hauptsächlich Schüler haben am Dienstagabend das Gastspiel der Badischen Landesbühne Bruchsal im vollen Graf-Zeppelin-Haus besucht. Es spricht sehr für die muntere und leichthändige Inszenierung von Wolf E. Rahlfs, dass bis zuletzt gespannte Aufmerksamkeit herrschte.
Die Dramatisierung des 1927 erschienenen Romans von Hermann Hesse, der später in den USA zum Kultbuch wurde, bietet eine Vorbereitung auf das Abitur 2019, bei dem Hesses Roman eines der sogenannten Sternchenthemen sein wird. Der gesellschaftskritische Roman, Dokument für eine tiefe Existenzkrise des Autors, ist für heutige Leser gerade im ersten Teil recht schwere Kost. Er wird zwar durch die dramatische Aufbereitung verkürzt, verliert das epische Element, aber für die heutige Zeit, in der die Dramatisierung beliebter Romane Konjunktur hat, ist diese Konzentration durchaus ein Geschenk. Literaturliebhaber mögen dies beklagen, doch den Autoren war ein Mehr an Menschen, die ihre Botschaft erreichte, selten ein Gräuel. Allenfalls der Theaterdichter in Goethes „Faust“klagt über die bunte Menge, die ins Theater drängt, nur der Unterhaltung willen.
Mit Goethes „Faust“ist Hesses „Steppenwolf“oft verglichen worden. Der fast 50-jährige Harry Haller ist wohl Gelehrter, Faust in vielem ähnlich. Auch er leidet an dem Überdruss, nicht ins Eigentliche vordringen zu können. Auch er findet sein Gretchen – hier heißt sie Hermine – und in wilden Exzessen sucht er seine wahre Identität. Überzeugend spielt Markus Hennes den Protagonisten, der bisher eher mitgetragen wurde, als dass er bewusst gelebt hätte. Mehr als zwei Seelen wohnen in seiner Brust, die des Menschen und die des Wolfes. Er schwankt zwischen beiden, die sich nicht vereinen lassen. Geringer als bei Faust sind die Schauplätze, fast wird die Einheit des Ortes gewahrt.
Nicht auf das Theater übertragen wurde in der Bühnenfassung von Joachim Lux das Spiel mit den verschiedenen Erzählperspektiven. Stattdessen wurden mit Projektionen die verschiedenen Realitäten oder Wirklichkeiten präsent, eine überzeugende Umsetzung der tragenden Gedanken in die Welt der Dramatik.
Ein Ausflug in die Wirklichkeit
Im ästhetischen Bühnenbild von Franziska Smolarek weitet sich das Bild vom Zimmer, in dem der Vermieter aus und ein geht, von der sinnlichen Welt Pablos und der Kurtisanen Hermine und Maria zur Bühne für das „Magische Theater“, zum „Ausflug in die andere Wirklichkeit“, zum Blick im Opiumrausch in die Seelen des Steppenwolfs. Die Gedankenlastigkeit wird aufgebrochen, indem Harrys Gedanken reihum oder im Chor gesprochen werden, und mit Witz und ungenierter Offenheit lässt die Inszenierung teilhaben an der „Dressur“des Steppenwolfs, dem Goethe und Mozart erscheinen, der aber bei Pablo den Jazz und mit ihm und den Frauen bisher unbekannte sinnliche Freuden kennenlernt – köstlich der ungenierte Dreier.
Im Spiel zwischen Wirklichkeit und Halluzination agiert um Markus Hennes ein munteres Ensemble mit Tobias Karn als Vermieter, Colin Hausberg als Pablo, Nadine Pape als aufmunterndes Alter Ego Hermine, Sina Weiß als verführerische Maria sowie Cornelia Heilmann und David Meyer in weiteren Rollen.
Es gibt viele Ansatzpunkte, Roman und Dramatisierung zu vergleichen. Beide Formen tragen zur gegenseitigen Erhellung und Vertiefung bei. Die Besucher haben das begriffen, sie sind sehr aufmerksam dem Stück gefolgt und haben kräftig applaudiert.