Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der Rest ist Stille
Jazz begegnet dem Schwarzen Loch: Das Jakob Bro Trio im Casino
FRIEDRICHSHAFEN - Mit der Musik des Jakob Bro Trios ist es wie mit einem schwimmenden Eisberg: das was man wahrnimmt, ist nur die Spitze eines großen Ganzen, das verborgen bleibt. Mit sehr spartanischen Klängen erschafft der E-Gitarrist aus Dänemark eine Welt von Stimmungen, die nie eindeutig ist.
In die Schönheit seines Klangs mischt sich Traurigkeit, in die elegische Langsamkeit seines Spiels gerät ein sperriger Nebenaspekt, der ätzende Schärfe annehmen kann. Es ist eine Klangwelt, die sich langsam dreht und die voller merkwürdiger elektronischer Störgeräusche ist. Ein abgedämpftes Surren und Brummen, das zum immer lauteren Rauschen wird und von dem die Musik schließlich eingesogen wird wie von einem schwarzen Loch. Der Rest ist Stille.
Die Wirkung dieser Musik ist monumental und geisterhaft zugleich auch dies wieder ein Gegensatz, den Bro zusammenführt. Sie gleicht in vielem der Schattenwelt, die Neil Young in seiner Musik für den Jim Jarmusch-Film „Dead Man“erschaffen hat; nur, dass Bro keinen solchen Ingrimm erzeugt, weniger auf Spannungen setzt. Immer wieder tauchen psychedelische Anspielungen auf den Doors-Gitarristen Robbie Krieger auf, die Musik wird fahl – doch mit einem Flügelschlag wendet sie sich in eine gelöste Schönheit, die ins Herz trifft. Das alles ereignet sich ohne ersichtliche Kurswechsel. Jakob Bros Musik gleicht Luftspiegelungen, die immer neue Gestalt annehmen.
Intimes Konzert beglückt
Der Bassist Thomas Morgan und der Drummer Joey Baron bilden den Wind, der diese Luftspiegelungen durcheinander wirbelt. Dass man Joey Baron bei einem so intimen Konzert erleben kann, ist ein Glück; der Amerikaner hat schon mit unzähligen Berühmtheiten gespielt, aber was ihm Kultstatus verschafft, sind seine Avantgarde-Projekte mit John Zorn, Fred Frith oder Laurie Anderson. Barons kleinteilig-rasantes Spiel gleicht einem Hagelschauer, der nur selten nachvollziehbare rhythmische Muster bedient. Umso größer ist die Überraschung, wenn er in einen konventionellen SwingGroove verfällt, nur um ihn rasch wieder zu verlassen. Mehrfach bricht Joey Baron in ein begeistertes Lachen aus angesichts der Pfade, die sie da zu dritt beschreiten – als Trio, das intuitiv voranschreitet, anstatt nur einen vorab schon bekannten Weg nachzuzeichnen.
Thomas Morgan am Kontrabass bleibt distinguiert. Er kennt das Rezept der Killergrooves und spielt stets haarscharf daran vorbei. Das Eindeutige ist eben nicht, worum es diese Musikern zu tun ist.
Nur einmal wird es reichlich handfest: Jakob Bro zitiert in einem Solo den Song „Breathe“von The Prodigy; einer Band, die mit satten Effekten immer voll auf die Glocke haut. Bro ist also auch nur ein Mensch und lebt nicht nur von schwebenden Klängen. Die Wirklichkeit hat uns wieder.