Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Grippewelle füllt Praxen und Kliniken
Kälteperiode lässt Zahl der Influenza-Fälle im Vergleich zum Vorjahr deutlich ansteigen
Kälte lässt Zahl der Influenza-Fälle im Vergleich zu 2017 deutlich ansteigen.
FRIEDRICHSHAFEN - Die Wartezimmer der Hausärzte sind voll, die drei Kliniken des Medizincampus Bodensee sind in der vergangenen Woche sogar an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen: Die frostigen Temperaturen Ende Februar, Anfang März haben der in diesem Jahr vergleichsweise langsam angerollten Grippewelle einen enormen Schub verpasst – und dazu geführt, dass die Zahl der gemeldeten Influenza-Fälle im Bodenseekreis im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen ist: von 115 im Winter 2015/16 über 396 im Winter 2016/17 auf aktuell 573.
Diese Zahlen beziehen sich allerdings nur auf jene Patienten, für die sich der Verdacht auf „echte Grippe“durch eine entsprechende Labordiagnose bestätigt hat. Die tatsächlichen Zahlen liegen weitaus höher, da längst nicht für jeden Patienten mit entsprechenden Symptomen eine solche Labordiagnose veranlasst wird. Denn diese Symptome sind weitgehend dieselben wie bei einem vergleichsweise harmlosen grippalen Infekt und werden in den meisten Fällen auch mit denselben Maßnahmen behandelt. Ärzte verordnen in der Regel Bettruhe, leichte Kost, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und gegebenenfalls fiebersenkende Mittel. Medikamente gegen die Grippeviren werden vor allem besonders gefährdeten Patienten verabreicht.
Was sich anhand der Statistik ablesen lässt, ist zumindest ein Trend. So bestätigt Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamtes, zu dem auch das Gesundheitsamt gehört, dass die Grippewelle im Bodenseekreis in diesem Jahr „deutlich heftiger“sei als in den Vorjahren. Ob der Höhepunkt mittlerweile erreicht ist, könne man mit Gewissheit noch nicht sagen, da nach wie vor Meldungen über neue Labordiagnosen eingingen.
Klinikum stößt an Kapazitätsgrenze
Der Häfler Allgemeinmediziner Jochen Weymayer verzichtet in aller Regel zwar auf solche Labordiagnosen – aus den genannten Gründen – berichtet aber, dass die Zahl der Patienten mit Grippe oder grippalem Infekt in seiner Praxis im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um geschätzt 20 Prozent zugenommen habe. „Vor allem Montagvormittags ist das Wartezimmer voll, weil sich die Leute über das Wochenende angesteckt haben und dann eine Krankmeldung für den Arbeitgeber benötigen“, sagt Weymayer. Weil er bei jedem einzelnen Herz, Lunge, Nase und Ohren untersuchen müsse, seien diese Tage allein damit komplett ausgefüllt, weshalb er schon seit Ende Januar vorab keine Termine mehr für Montage vergebe.
Grippepatienten mit schwerem Verlauf werden mitunter stationär im Klinikum aufgenommen. In der vergangenen Woche waren es in Friedrichshafen so viele, dass das Krankenhaus an seine Kapazitätsgrenze stieß – nicht zuletzt, weil Grippepatienten aufgrund der Ansteckungsgefahr zum Teil isoliert werden müssen und deshalb Zwei- und Dreibettzimmer blockieren. „Die Zahl der Patienten war schon enorm hoch“, berichtet Pressesprecherin Susann Ganzert – und bezieht das auch auf die beiden anderen Krankenhäuser des Medizincampus Bodensee (MCB). Einige Patienten, vor allem ältere und solche mit zusätzlichen Erkrankungen, hätten sogar auf der Intensivstation behandelt werden müssen.
Doppelt gefordert sei das Klinikum dadurch gewesen, dass auch das Personal von der Grippewelle nicht verschont geblieben sei und deshalb auch die personellen Kapazitäten zeitweise begrenzt waren. Wie Susann Ganzert berichtet, habe man einzelne, neu ankommende Patienten, die nicht akut gefährdet waren, wieder nach Hause geschickt, um sich dort mit den üblichen Mitteln auszukurieren. Seit dem Wochenende hat sich die Lage laut Ganzert in allen drei Häusern des MCB entspannt – sowohl bei der Zahl der neu ankommenden Patienten, als auch beim Personal.
Normalerweise erreiche die Grippewelle ihren Höhepunkt Ende Januar, Anfang Februar. In diesem Jahr kam sie erst mit der eisigen Kälte Ende Februar so richtig ins Rollen – denn bei Temperaturen unter Null fühlen sich die Viren am wohlsten, bleiben länger infektiös und verbreiten sich dementsprechend auch schneller.