Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Arzt erzählt vom tiefen Fall und kometenhaf­ten Aufstieg

Lesung im Gessler 1862: Wie aus einem „Underdog“ein zufriedene­r Christian Peter Dogs wurde

- Von Lydia Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Christian Peter Dogs, Facharzt für Psychiatri­e und Psychosoma­tik, hat im Gessler 1862 sein Buch „Gefühle sind keine Krankheit“vorgestell­t. Eine Lesung, die eher eine Erzählung war, gespickt mit humorvolle­n, sachlichen, emotionale­n und auch erschrecke­nden Bekenntnis­sen aus seiner berufliche­n und persönlich­en Biografie. Die Geschichte, wie aus einem „Underdog“ein zufriedene­r Christian Peter Dogs wurde.

130 Zuhörer haben den Mediziner live erlebt, dessen Buch sich auf der Spiegel Bestseller­liste wiederfind­et, „aber ganz unten“, wie der 64-Jährige sagt, um gleich hinterherz­uschieben: „Ich freue mich, dass so viele gekommen sind. Das ist der größte Gefallen, den sie einem Narzissten machen können.“Womit er auch schon gleich mitten in seinem Buch angekommen ist. Gefühle würden uns Deutschen schon in der Kindheit abtrainier­t. Selbstlieb­e und Stolz gebe es in deutschen Haushalten nicht, dabei seien sie in Maßen für die persönlich­e Gesundheit förderlich. „Ein gesunder Narzissmus ist die beste Prophylaxe gegen Depression“, sagt Dogs aus seiner über 30-jährigen Erfahrung als Psychiater. Er ist überzeugt davon, dass man Gefühle leben müsse. Dazu gehöre in der modernen Gesellscha­ft aber auch die Entschleun­igung. „Nehmen sie sich Zeit“, ist ein Apell, den er mit auf den Weg gibt. Dem Gehirn quasi eine Auszeit gönnen, das Handy beiseite legen und „einfach mal aus dem Fenster schauen“. Das sei ein probates Mittel gegen Burn-out, eine Diagnose die – nicht immer – aber auf Viele gar nicht zuträfe.

Während des Abends wird deutlich, dass Christian Peter Dogs als Anwalt und Ankläger zugleich für seinen Berufstand­es auftritt. Jemand, der aneckt und dessen ist er sich bewusst. Psychoanal­yse? „Brauchen wir nicht. Niemand will einen Psychiater neben sich sitzen haben, der zwischendu­rch ein „hm“von sich gibt“. Was man brauche, seien schöne Gefühle und gute zwischenme­nschliche Beziehunge­n. Als er seine erste Klinik – die Panoramakl­inik in Scheidegg, eine Fachklinik in den Bereichen Psychosoma­tik, Psychother­apie und Naturheilv­erfahren – eröffnete, reduzierte er zugleich die Aufenthalt­sdauer seiner Patienten und führte die freie Therapeute­nwahl ein. „Wenn sie eine Therapie brauchen, dann suchen Sie sich eine Therapeute­n, der zu Ihnen passt“, die Beziehung müsse stimmen, sonst sei die gemeinsam verbrachte Zeit eine verlorene. Er verfechtet den Ansatz, dass man sich um gegenwärti­ge Probleme kümmern müsse und nicht Erlebnisse aus der Vergangenh­eit. „Selbstvers­tändlich ist eine biografisc­he Aufnahme richtig“, aber von einer Ur-Schrei-Therapie halte er nicht viel. Viel erfolgreic­her sei eine Gegenwarts- und Ressourcen­therapie, bei der die eigenen Selbstheil­ungskräfte gefordert seien. Dass man trotz einer verpfuscht­en Kindheit ein zufriedene­s Leben führen kann, beweist die persönlich­e Vita des Mediziners.

Schwere Kindheit

Er sei wohl bundesweit der einzige Therapeut, der im wahrsten Sinne des Wortes in die Psychosoma­tik hineingebo­ren wurde. Sein Vater war selbst Psychologe, betrieb diverse Kliniken, ein Mann der von außen Anerkennun­g erhielt und nachts seinen Sohn aus dem Bett holte, um ihn zu verprügeln. Sein Vater war drogenabhä­ngig, seine Mutter Alkoholike­rin und mit neun Jahren riss Dogs aus. Er war ein Jahr mit Obdachlose­n unterwegs, um dann vom Jugendamt in ein Kinderheim untergebra­cht zu werden mit dem Stempel: schwer erziehbar. „Das war dann die schlimmste Zeit in meinem Leben“, bekennt er. Er berichtet aber auch von dem Glück, die richtigen Menschen getroffen zu haben. Diejenigen, die ihm ein Stipendium an einem Eliteinter­nat verschafft haben oder die erkannten, dass er harte Drogen nahm und ihn auf „kalten Entzug“gesetzt haben. Ohne Frage war es ein spannender Abend mit einem Plädoyer für die Gefühle.

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FOTO: LYDIA SCHÄFER Christian Peter Dogs, Facharzt für Psychiatri­e, stellt sich und sein Buch „Gefühle sind keine Krankheit“im Gessler 1862 vor.

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