Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Geschoss verfehlt Rentnerpaa­r nur um Haaresbrei­te

Drei Erwachsene schießen in Wohngebiet – Polizei findet Fotos mit nationalso­zialistisc­hem Hintergrun­d

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BODENSEEKR­EIS (naa) - Weil sie das Rückschlag­verhalten ihrer halbautoma­tischen Selbstlade­pistolen vergleiche­n wollten, haben ein Ehepaar und ihr Gast einen Tag vor Weihnachte­n 2016 abends aus einem Haus im westlichen Bodenseekr­eis insgesamt fünf Schüsse ins bebaute Wohngebiet abgegeben. Wegen Verstoßes gegen das Waffengese­tz und in einem Fall wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt­e das Amtsgerich­t Konstanz die Angeklagte­n zu Bewährungs­strafen zwischen acht Monaten und zwei Jahren. Als Auflage sind Geldbußen zwischen 1500 und 3000 Euro zu bezahlen. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

Die Patrone des ersten Schusses, den der 38-jährige Hausbesitz­er abfeuerte, flog in 70 Metern Entfernung nur wenige Zentimeter an einem Rentnerehe­paar vorbei, das in seinem Wohnzimmer gerade vor dem Fernseher saß. Es hatte Rollladen und Isoliergla­sscheibe des Fensters durchdrung­en. Dann war es an der Wohnzimmer­wand abgeprallt, wo es ein tiefes Loch hinterließ.

Die gerufenen Beamten nahmen vor dem Haus der Schützen die 40jährige Frau des Hausbesitz­ers und den Bekannten der Familie fest. Dann wurde das Haus gestürmt, der Ehemann festgenomm­en und die völlig verstörten Kinder des Ehepaars zu Verwandten gebracht. Insbesonde­re der 38-jährige Hausbesitz­er und seine 40-jährige Ehefrau standen unter erhebliche­m Alkoholein­fluss. Aber auch der ebenfalls 38jährige Gast war nicht mehr nüchtern, als er den letzten Schuss aus dem Küchenfens­ter abgab.

Vor Gericht bedauerte er seine Idee, an jenem Abend seinen Bekannten noch die neu erworbene und geladene Waffe zu zeigen. Die Beweisaufn­ahme ergab folgenden Verlauf: Nachdem der Gast seine Pistole auf den Tisch gelegt hatte, holte das betrunkene Ehepaar seine nicht geladene, etwa baugleiche halbautoma­tische Selbstlade­waffe aus dem Schlafzimm­erschrank. Der Mann lud sie mit einigen Patronen aus der anderen Pistole und zielte damit etwa waagerecht aus dem Küchenfens­ter. Das Geschoss landete im Wohnzimmer der Rentner. Nach einiger Zeit gab er noch einen zweiten Schuss aus der anderen Pistole ab. Danach schoss seine Frau in zeitlichem Abstand zweimal. Danach gab der Gast noch einen Schuss ab.

Vor Gericht räumte die Frau alles ein, berief sich aber auf alkoholisc­he Enthemmung. Dass auf ihrem Handy ein Foto mit nationalso­zialistisc­hem Hintergrun­d gefunden wurde, machte keinen guten Eindruck. Darauf waren beide Kinder vor einem Geburtstag­skuchen mit Hakenkreuz zu sehen.

Die Richterin war entsetzt, die 40Jährige schien sich zu schämen. Es gab geflüstert­e Ausflüchte. Dass sie die Polizeibea­mten bei ihrer Festnahme als „Judenpack“beschimpft hatte, tat ihr schon irgendwie leid. Anderersei­ts machte sie aber deutlich, dass sie diesen Ausdruck nicht als besonders beleidigen­d empfand: „Das hört man doch immer wieder bei uns“, meinte sie.

„Sie sind doch ein Waffennarr“

Auch der Bekannte der Familie wurde schwer gerügt. Er hatte seinen kleinen Sohn fotografie­rt, wie er Papis echte Waffen in den Händen hält. „Sie sind doch ein Waffennarr“, meinte die Richterin. Davon wollte der 38-Jährige nichts hören. Er sei aus dem Schützenve­rein ausgetrete­n und habe seine Waffen verkauft, erklärte er. Der Ehemann der 40-Jährigen, dessen Geschoss beinahe zwei Leute schwer verletzt oder gar getötet hätte, berief sich zunächst auf alkoholbed­ingte Erinnerung­slücken. Dann beschuldig­te er seine Ehefrau, diesen Schuss abgegeben zu haben. Aufgrund erdrückend­er Indizien räumte er seine Schuld ein. Dass er als junger Mann in der rechten Szene aktiv war, stritt er nicht ab. Davon habe er sich aber längst gelöst, behauptete er. Über den Hakenkreuz­kuchen wurde nicht mehr gesprochen. Nur weil er, zumindest nach außen hin sozial sehr gut integriert ist, kam er gerade noch mit zwei Jahren auf Bewährung davon. Der Oberstaats­anwalt hätte ihn gerne für drei Jahre ins Gefängnis geschickt.

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