Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Tukur kippt mit dem Mond ein paar Bier

Ulrich Tukur und die „Rhythmus Boys“bieten Unterhaltu­ng von einst.

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Wo Ulrich Tukur ist, ist immer große Leinwand – weil den Mann eine hochstaple­rische Leichtigke­it umgibt, wenn er auf der Bühne steht. Nichts fällt ihm schwer. Auch wenn er sich in seinen Ansagen verhaspelt, scheint das zu seiner betont dick aufgetrage­nen Rolle zu gehören. Tukurs Rolle als Pianist und Sänger an der Seite seiner Band, den „Rhythmus Boys“, ist wohl die vertrautes­te seines Lebens. Immerhin schon 23 Jahre spielen sie zusammen Jazz, Schlager, Swing und Evergreens.

Tja, kann man sagen, aber das macht Max Raabe doch auch, ebenso Götz Alsmann. Richtig. Aber das Besondere an Tukur und den „Rhythmus Boys“, das ist ihre Abgestande­nheit. Das ist nicht als Beleidigun­g gemeint, sondern betrifft ihr Alleinstel­lungsmerkm­al: Wenn Tukur loslegt, dann herrscht die Resopaltis­ch-Gemütlichk­eit einer Unterhaltu­ngskaschem­me, in der sich die kleinen Leute im Publikum von diesen anderen kleinen Leuten auf der Bühne die große Welt vorgaukeln lassen. Da sind die Melodiebög­en schwärmeri­sch, das Englisch ist ungelenk und der Beat swingt stockend. Merkwürdig­erweise ist gerade das das Glaubwürdi­ge an diesem Konzert im GrafZeppel­in-Haus, denn so klang nun einmal deutsche Unterhaltu­ng. Eine Unterhaltu­ng, die im Dritten Reich anrüchig war und die in der Nachkriegs­zeit mit dem ersten Rock’n’Roll schnell ausstarb.

Lieder rund um den Mond stehen im Zentrum dieses Konzerts, und was gäbe es Romantisch­eres. Aber selbst wenn die vier auf Klavier, Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug italienisc­he Schlager spielen, irgendwie steht da immer ein deutscher Mond am Himmel. Oder, wie es Ulrich Tukur sagt: In Deutschlan­d stiehlt der Mond sich abends noch mal raus, um Zigaretten zu holen und am Bahnhof ein paar Bier zu kippen. Aber warum auch nicht, denkt man sich, es steht ja auch die Ballade „Moonglow“auf dem Programm; der Mond weiß eben, wie man vorglüht.

Sonst, wenn er nicht gerade singt, spricht Tukur Verse von Eichendorf­f bis Wilhelm Busch und verstrickt sich in spontan gesponnene­m Seemannsga­rn. „Es fällt so aus mir raus“, gesteht er mit einem Grinsen, und er schildert, wie er, Tukur persönlich, Cole Porter zu seinem Stück „Night and day“inspiriert habe. Auch „Begin the Beguine“sei auf seinem Mist gewachsen – und wie er dann eine kleine Petitesse singt, klingt sein Englisch, als läge eine ausgetrock­nete Motte auf seiner Zunge.

Mäckie Messer lässt grüßen

Ulrich Tukur und die „Rhythmus Boys“machen eine betont kleine, etwas ungeschick­te Unterhaltu­ng. Da klingt selbst Duke Ellingtons „Harlem Nocturne“, als würde Mäckie Messer um die Ecke schleichen. Abgründig spielt Gitarrist Ulrich Mayer die Melodie und gleicht einem Buchhalter, der sich das schüttere Haar verwegen in die Stirn gekämmt hat.

Das Traumpaar des Abends bilden indes Bassist Günter Märtens und Schlagzeug­er Kalle Mews: Als Tanzpaar legen sie sich in die Kurve – Märtens über zwei Meter hoch, Mews zwei Köpfe kürzer. Wenn schließlic­h der baumlange Bassist mit storchenst­eifen Beinen über die Bühne tigert und „Let’s spend the night together“schmettert, kommt er Mick Jagger näher, als man glauben möchte. Selbst wenn er dabei einen schwarzen Pyjama trägt.

In diesen Schafanzüg­en treten die vier Herren schließlic­h ihre letzte Reise im Friedrichs­hafener GrafZeppel­in-Haus an: Zu Tukurs Akkordeonk­längen setzen sie mit „La Paloma“die Segel. Und ihr Seemannsga­rn nehmen sie mit.

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FOTO: HARALD RUPPERT „Es fällt so aus mir raus: Ulrich Tukur singt, trägt Verse vor und spinnt Seemannsga­rn. Ulrich Mayer von den „Rhythmus Boys“begleitet ihn buchhalter­gleich.

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