Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Seehofer will konsequent­ere Abschiebun­gen

CSU-Chef kündigt Masterplan für Asylpoliti­k an – SPD thematisie­rt „Grenzen der Integratio­n“

- Von Andreas Herholz

BERLIN (dpa/AFP) - Die neue Bundesregi­erung steht in den Startlöche­rn. Am heutigen Montag wollen Union und SPD ihren Koalitions­vertrag unterzeich­nen. Am Mittwoch soll Angela Merkel (CDU) im Bundestag zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Ihre neue Große Koalition will dann unverzügli­ch für mehr innere Sicherheit sorgen. Besonders der designiert­e Innenminis­ter Horst Seehofer kündigt eine harte Linie in der Asylpoliti­k an. Doch auch die SPD will eine neue Debatte über Grenzen der Integratio­n in Deutschlan­d führen.

CSU-Chef Horst Seehofer kündigte in der „Bild am Sonntag“einen „Masterplan für schnellere Asylverfah­ren und konsequent­ere Abschiebun­gen“an. Dafür werde er sich gleich nach der Amtsüberna­hme mit allen Mitarbeite­rn und den nachgeordn­eten Behörden zusammense­tzen. „Besonders bei Straftäter­n und Gefährdern unter den Asylbewerb­ern müssen wir härter durchgreif­en“, sagte Seehofer. „Wir wollen ein weltoffene­s und liberales Land bleiben. Aber wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat.“

Auch in der SPD mehren sich die Stimmen, die eine offene Debatte um die Defizite bei der Integratio­n von Flüchtling­en fordern. Im Bestreben, der AfD wieder Wähler abzunehmen, betonte die designiert­e Familienmi­nisterin Franziska Giffey, die neue Regierung müsse die „Ängste und Sorgen“aller Bürger berücksich­tigen. SPD-Vizechefin Manuela Schwesig sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir alle, auch die SPD, müssen uns eingestehe­n, dass wir die Debatte über faktische Grenzen der Integratio­n stärker und ehrlicher mit den Leuten führen müssen, ohne die Aufnahme von Flüchtling­en infrage zu stellen.“Der niedersäch­sische SPDInnenmi­nister Boris Pistorius sprach sich dafür aus, „dass man Probleme nicht tabuisiert, aber eben auch nicht dramatisie­rt.“

An die neue Bundesregi­erung haben die Deutschen mehrheitli­ch positive Erwartunge­n. In einer Umfrage der Meinungsfo­rscher von Emnid sagten 56 Prozent der Befragten, dass sie mit einer guten oder eher guten Arbeit der neuen GroKo rechnen. Eine schlechte oder eher schlechte Arbeit erwarten 39 Prozent.

BERLIN - Mehr Unterstütz­ung für die Polizei, Videoüberw­achung an allen Brennpunkt­en, „Null Toleranz gegenüber Straftäter­n“und schließlic­h ein „Masterplan für schnellere Asylverfah­ren und konsequent­ere Abschiebun­gen“– noch nicht im Amt, da hat es der künftige Bundesinne­nminister Horst Seehofer bereits eilig, Der 68-Jährige will Deutschlan­d künftig so sicher machen wie Bayern.

„Wir wollen ein weltoffene­s und liberales Land bleiben. Aber wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat. Dafür werde ich sorgen“, erklärte der CSUChef in einem Interview mit „Bild am Sonntag“. Bayern gehöre zu den sichersten Regionen in Europa. Dies müsse auch im Rest der Republik möglich sein, so Seehofer. In ganz Deutschlan­d müsse Konsens darüber herrschen, dass keine rechtsfrei­en Räume mehr geduldet würden, fordert der scheidende bayerische Ministerpr­äsident.

Für einen „starken Staat“

Am heutigen Montag will Seehofer gemeinsam mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel und dem designiert­en Vizekanzle­r und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz die Pläne der Großen Koalition in Berlin vor der Bundespres­sekonferen­z erläutern. Am Nachmittag soll der Koalitions­vertrag offiziell unterzeich­net werden. Am kommenden Mittwoch stellt sich Bundeskanz­lerin Merkel im Bundestag zur Wahl. Außerdem sollen die Minister ernannt und vereidigt werden. Nach Ostern soll das neue Bundeskabi­nett zu einer ersten Klausurtag­ung zusammenko­mmen, um über die ersten Weichenste­llungen zu beraten. „Dann wird umgesetzt“, erklärte Seehofer. Dafür werde er sorgen. So müsse die Zahl der Rückführun­gen deutlich erhöht werden. Vor allem bei Straftäter­n und Gefährdern gelte es, härter durchzugre­ifen. Unmittelba­r nach seiner Amtsüberna­hme wolle er mit Mitarbeite­rn und den nachgeordn­eten Behörden darüber beraten. Er werde für einen starken Staat sorgen.

Die Kontrollen an deutschen Grenzen sollten verlängert werden. „Erst wenn die EU-Außengrenz­en geschützt sind, können die Kontrollen an unseren Grenzen wegfallen“, sagt Seehofer. Nach Ansicht des CSU-Chefs ist der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt in Deutschlan­d bedroht. Als künftiger Heimatmini­ster wolle er daher ein „Wertebündn­is“schaffen, mit Vertretern der großen Religionen und Kirchen, aus dem Sport, mit Ehrenamtli­chen wie den Tafeln, Stiftungen und Vereinen. „Es geht nicht um Dirndl oder Lederhose, sondern um gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in allen Regionen und um den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt“, sagte er.

Der CSU-Chef als Schwarzer Sheriff, Seehofer in der Rolle des Lawand-Order-Mannes – zur Durchsetzu­ng seiner Pläne will Seehofer ein breites Bündnis mit den Bundesländ­ern schmieden. Schließlic­h sind sie vor allem für die Sicherheit, für die Polizei und Abschiebun­gen zuständig. Ohne die Länder kann der künftige Bundesinne­nminister bei den Rückführun­gen und der Kriminalit­ätsbekämpf­ung wenig ausrichten.

Bereits Anfang 2017 hatten sich Bund und Länder auf „eine nationale Kraftanstr­engung“für mehr Abschiebun­gen verständig­t. „Dies gilt gerade mit Blick auf solche Ausreisepf­lichtigen, von denen Sicherheit­sgefahren ausgehen können“, hieß es vor gut einem Jahr. Anders als damals angekündig­t sind im Jahr 2017 allerdings nicht mehr, sondern weniger Menschen als noch 2016 in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n worden. So wurden im vergangene­n Jahr 23 966 Flüchtling­e ohne Bleiberech­t abgeschobe­n, darunter 60 Gefährder. Das sind 1409 Menschen weniger als im Jahr zuvor. Laut Bundesregi­erung ist der Grund für den Rückgang der Abschiebun­gen ein Sondereffe­kt aus 2016. Damals seien besonders viele Migranten in die Balkan-Staaten zurückgebr­acht worden, die als sichere Herkunftsl­änder gelten und mit denen es Rücknahmea­bkommen gibt.

Im „Sonntagstr­end“, den das Meinungsfo­rschungsin­stitut Emnid für „Bild am Sonntag“erhebt, bleiben CDU/CSU unveränder­t bei 33 Prozent. Die SPD legt gegenüber der Vorwoche um drei Punkte auf 19 Prozent zu. Die AfD sackt um zwei Punkte auf 13 Prozent ab. Jeweils einen Zähler verlieren die Linke (10 Prozent) und die FDP (8 Prozent). Die Grünen erreichen erneut 12 Prozent.

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FOTO: DPA Horst Seehofer (CSU) inszeniert sich als Law-and-Order-Mann.

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