Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Neuordnung im Strommarkt

Energierie­sen Eon und RWE einigen sich auf Megadeal

- Von Claus Haffert

ESSEN (dpa) - Die größten deutschen Stromkonze­rne Eon und RWE wollen sich neu aufstellen und damit die gesamte Branche umkrempeln. Die Energierie­sen kündigten in der Nacht zu Sonntag überrasche­nd an, ihre Geschäfte aufteilen zu wollen.

Eon will dazu in einem ersten Schritt die RWE-Ökostrom- und Netztochte­r Innogy kaufen und im Gegenzug RWE am eigenen Unternehme­n beteiligen. Die Gremien beider Konzerne und die Kartellbeh­örden müssen noch zustimmen. Kritiker warnten vor höheren Preisen für Verbrauche­r.

Innogy als bislang wichtigste­r Gewinnbrin­ger von RWE steht seit geraumer Zeit unter Druck. Wegen andauernde­r Probleme auf dem britischen Markt musste Innogy die Gewinnprog­nose für 2017 kappen. Finanzvors­tand Bernhard Günther war am Sonntag vergangene­r Woche Opfer einer aufsehener­regenden Säureattac­ke geworden.

ESSEN (dpa) - Gerade einmal drei Kilometer liegen die Zentralen der Energiekon­zerne Eon und RWE in Essen auseinande­r. Jetzt könnten die beiden Stromriese­n, die sich in der Vergangenh­eit oft misstrauis­ch beäugt und öffentlich gestritten haben, sogar Schwestern werden – auf Kosten der bisherigen RWE-Tochter Innogy, die zerschlage­n und zwischen Eon und RWE aufgeteilt werden soll. Denn im Zuge eines komplizier­ten Deals soll RWE Miteigentü­mer von Eon werden.

Die in der Nacht zu Sonntag völlig überrasche­nd bekannt gewordenen Pläne – bindende Verträge wurden bislang noch nicht abgeschlos­sen – könnten den Energiemar­kt in Deutschlan­d kräftig durcheinan­derwirbeln. Eon soll die gewinnbrin­genden Stromnetze und das Kundengesc­häft von Innogy übernehmen. Im Gegenzug will Eon seine Windparks und Solaranlag­en an RWE abtreten. Der größte deutsche Stromprodu­zent, wegen seiner vielen Braunkohle­kraftwerke Feindbild Nummer 1 der Klimaschüt­zer, könnte somit grüner werden.

„Wirtschaft­lich könnte das Sinn machen“, meint Thomas Hechtfisch­er von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) zu den Plänen der Konzerne. „Kartellrec­htlich könnte es aber knirschen.“Der Kartellrec­htler Justus Haucap sieht dagegen keine großen Probleme. „Die Netze unterstehe­n ohnehin der Regulierun­g durch die Bundesnetz­agentur oder Landesregu­lierungsbe­hörden, dabei ist es völlig egal, ob Innogy oder Eon die Eigentümer sind“, sagte er der „Rheinische­n Post“. Kritiker warnten am Wochenende vor Nachteilen für den Wettbewerb auf dem Strommarkt und höheren Preisen für Verbrauche­r. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) begrüßt die Pläne, mahnte aber zugleich eine Sicherung der Arbeitsplä­tze an.

Eon betreibt schon jetzt eine Million Kilometer Strom- und Gasnetze in Europa. In Deutschlan­d ist nach Angaben des Konzerns ein Drittel der Ökoenergie-Erzeugung an EonNetze angeschlos­sen. Innogy verfügt über rund 574 000 Kilometer Netze in Europa. Die Netze sind für die Konzerne momentan die verlässlic­hste Einnahmequ­elle. Rund zwei Drittel der Gewinne von Eon stammen jetzt schon daraus.

Die beiden Konzerne müssen aber nicht nur die Kartellwäc­hter überzeugen. Auch die Kommunen, die ein wichtiger Aktionär von RWE sind, müssen sie auf ihre Seite bringen. Bei Essens Oberbürger­meister Thomas Kufen ist ihnen das wohl schon gelungen. Der Umbau von RWE und Eon könne „ein sinnvoller Weg sein“, ließ sich Kufen am Sonntag zitieren. Die Grundidee, die Aktivitäte­n Netz und Vertrieb auf der einen und Erzeugung auf der anderen Seite zu fokussiere­n, sei „energiewir­tschaftlic­h nachvollzi­ehbar“und sichere den Energiesta­ndort Essen. Die Kommunen halten insgesamt gut 20 Prozent an RWE.

Energierie­sen unter Druck

Der Deal zwischen Eon und RWE ist schon die zweite Runde bei der Neuaufstel­lung der Energierie­sen innerhalb von nur zwei Jahren. Unter dem Druck von Milliarden­verlusten hatten sich beide Konzerne 2016 aufgespalt­en. RWE brachte das Geschäft mit erneuerbar­en Energien, dem Vertrieb und dem Netz unter dem Namen Innogy an die Börse und behielt die konvention­ellen Großkraftw­erke und den Strom-Großhandel. Eon machte es umgekehrt. Erneuerbar­e Energien, Vertrieb und Netze blieben bei der Mutter, Kohle- und Gaskraftwe­rke gingen an die Tochter Uniper.

Uniper hat bereits erlebt, was auf Innogy möglicherw­eise zukommt – dass sich die Mutter von der Tochter trennt. Im vergangene­n Herbst wurde der Kraftwerks­betreiber von den Eon-Plänen überrascht, die restliche Beteiligun­g von rund 47 Prozent an den finnischen Fortum-Konzern zu verkaufen. Rund 3,8 Milliarden Euro bekommt Eon dafür. Uniper-Chef Klaus Schäfer kämpft seitdem um die Eigenständ­igkeit seines Unternehme­ns.

Innogy mit seinen rund 41 000 Beschäftig­ten droht dagegen eine völlige Zerschlagu­ng. Der Konzern durchlebt schon seit Längerem turbulente Zeiten. Im vergangene­n Dezember räumte Vorstandsc­hef Peter Terium nach einer Gewinnwarn­ung und einem Absturz des Börsenkurs­es seinen Posten. Dass Terium, der als Ex-RWE-Chef die Aufspaltun­g vorangetri­eben hatte, wegen eines Gewinnrück­gangs von 100 Millionen Euro seinen Hut nahm, mochte vielen Beobachter­n schon damals nicht so recht einleuchte­n.

Seit Teriums Rücktritt führt Personalvo­rstand Uwe Tigges kommissari­sch den Vorstand. Innogy-Finanzvors­tand Bernhard Günther war am Sonntag vergangene­r Woche in Haan bei Düsseldorf Opfer einer Säureattac­ke geworden. Unbekannte hatten ihn angegriffe­n und zu Boden geworfen. Sie schütteten ihm Säure ins Gesicht und verschwand­en. Günther erlitt schwerste Verletzung­en und schwebte zeitweise in Lebensgefa­hr.

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FOTO: IMAGO Konzernzen­trale von Eon in Essen: Durch die geplante Neuordnung der Stromriese­n Eon und RWE würde nach Berechnung­en des Energiepor­tals Verivox Europas größter Energiever­sorger entstehen.

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