Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Irrtümer an der Börse

Was Aktien, Anleihen, Immobilien und Wein bringen

- Von Falk Zielke und Alexander Sturm

FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Geht es ums Geld, gibt es viele Vorurteile. Zum Beispiel, dass man an der Börse nur verlieren kann. Oder dass Gold ein sicherer Hafen ist und Immobilien sich immer rentieren. Einer Überprüfun­g halten diese Vorurteile allerdings nicht stand, wie auch eine neue Studie von Wissenscha­ftlern der London Business School und Experten der Schweizer Bank Credit Suisse eindrucksv­oll zeigt.

Die Forscher verglichen verschiede­ne Anlageklas­sen seit dem Jahr 1900 – ein ungewöhnli­ch langer Zeitraum. Analysiert wurden 23 Länder und drei Kontinente, darunter die USA, China und Japan sowie wichtige europäisch­e Länder wie Deutschlan­d. Zusammen stehen sie bei Aktien etwa für 91 Prozent der weltweiten Märkte.

Aktien besser als ihr Ruf

Eine Erkenntnis: Aktien zahlen sich auf lange Sicht immens aus. So lag die Rendite bei einer weltweiten Aktienanla­ge seit 1900 bei 5,2 Prozent – pro Jahr. Für Anleihen, die vielen Anlegern wegen ihrer Verzinsung als sicher gelten, ermittelte­n die Forscher eine jährliche Rendite von zwei Prozent. Betrachtet man die vergangene­n 50 Jahre, brachten weltweite Aktien jährlich 5,3 und Anleihen 4,4 Prozent. Das vermeintli­ch sichere Gold brachte in dem Zeitraum nur 0,7 Prozent.

Ein ähnliches Bild zeichnet das Deutsche Aktien-Institut (DAI) auch für deutsche Aktien. Für einen Anlagezeit­raum von 20 Jahren lagen die jährlichen Renditen in der Vergangenh­eit allein im Dax im Schnitt bei rund neun Prozent. Man muss also nicht sein Geld über mehr als 100 Jahre anlegen, um ordentlich­e Gewinne zu erzielen. Verluste mussten Anleger über 20 Jahre im Dax nicht fürchten. Selbst im schlechtes­ten 20Jahre-Zeitraum lag die Jahresrend­ite bei fast sechs Prozent.

Allerdings betonen die Autoren der Langzeitst­udie: Gewinne sind an der Börse nicht garantiert. Denn in dem langen Beobachtun­gszeitraum mussten Anleger auch äußerst schwierige Zeiten durchstehe­n: die beiden Weltkriege, die große Depression in den 1930er-Jahren, die Ölkrise in den 1970er-Jahren, den Schwarzen Freitag 1987, das Platzen der Internetbl­ase oder die Finanzkris­e nach der Lehman-Pleite.

Solche Ereignisse sind es aus Sicht von Niels Nauhauser unter anderem, warum Aktien bei vielen als riskant gelten. „Man beobachtet ja täglich die Entwicklun­gen an den Börsen“, sagt der Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. „Und Schlagzeil­en machen die Kursaussch­läge, nicht die langfristi­ge Entwicklun­g.“

Immobilien schlechter als ihr Ruf

Und auch mit einem anderen Vorurteil räumt die Studie auf: Immobilien sind demnach im Schnitt keine rentable Anlage, sondern eher ein Verlustbri­nger. Seit 1900, so die Forscher, lagen die jährlichen Erträge mit Immobilien weltweit im Schnitt zwischen jenen von Aktien (5,2 Prozent jährlich) und Anleihen (zwei Prozent). Der Großteil der Immobilien­erträge von 4,8 Prozent nach Inflation seien aber Mieteinkün­fte, der Wertgewinn der Gebäude betrage nur 1,3 Prozent.

Bereinige man gängige Immobilien-Indizes um den Effekt von Metropolen, schrumpfe der Ertrag. Und nach Instandhal­tungskoste­n und Versicheru­ng stehe ein Verlust von rund zwei Prozent pro Jahr, so die Forscher. Naturgemäß sieht das Bild in gefragten Städten besser aus.

Auch schwanken Immobilien­preise stärker, als der Begriff „Betongold“glauben macht. So sind die Preise in den USA zwischen Ende 2005 und 2012 um mehr als 36 Prozent gefallen.

Auch hierzuland­e gab es bei den Wohnungs- und Häuserprei­sen heftige Schwankung­en. Kletterten die Immobilien­preise in den 1970er-Jahren und nach der Wende stark, gab es laut dem Analysehau­s Bulwienges­a Mitte der 1990er-Jahre im Schnitt Jahresverl­uste von mehr als fünf Prozent. Auch nach dem Platzen der Internetbl­ase 2000 fielen die Preise.

In diesen Zeiträumen verloren Immobilien­investoren nach Abzug der Inflation Geld. Erst seit 2009 steht wieder ein positiver realer Ertrag. „Viele haben vergessen, dass es im Schnitt auch einige schwache Immobilien­jahre gab“, sagt Bulwienges­a-Experte Jan Finke. Auch sind die Renditen mit Immobilien laut Bulwienges­a langfristi­g weit niedriger als jüngst. Neue Eigentumsw­ohnungen in Westdeutsc­hland etwa verteuerte­n sich von 1975 bis 1990 um durchschni­ttlich 3,0 Prozent pro Jahr. Im wiedervere­inigten Deutschlan­d von 1990 bis 2017 waren es 2,6 Prozent per annum. „Das Plus im vergangene­n Jahr von 9,6 Prozent fällt ungewöhnli­ch hoch aus“, sagte Finke.

Wein nicht nur zum Trinken gut

Auch gibt es neben Aktien und Immobilien laut der Credit-Suisse-Studie exotische Renditebri­nger, die viele nicht auf der Rechnung haben. So stiegen die Preise für einige Sammlerobj­ekte seit dem Jahr 1900 stärker als die von Anleihen, die in Depots oft großes Gewicht haben. Mit Wein etwa konnten Investoren jährlich im Schnitt etwa 3,7 Prozent nach Inflation verdienen, mehr als mit Briefmarke­n (2,6) und Violinen (2,4). Mit globalen Anleihen waren es nur 2,0 Prozent. Kunst kommt immerhin auf eine Steigerung von 1,9 Prozent.

Die Renditen ergeben sich aber nur für Spitzenobj­ekte wie erlesene Weine, nicht für Standardtr­opfen. Auch kommen sie für die meisten Sparer mangels Vermögen ohnehin kaum in Frage. Ein Plus indes aus Sicht von Liebhabern: Während Zinsen, Dividenden und Kursgewinn­e oft hoch besteuert werden, bleiben viele Sammelgüte­r verschont.

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FOTO: DPA Börse Frankfurt: Aktien haben sich langfristi­g als die rentabelst­e Anlageform herausgest­ellt.

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