Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Letzte Ruhe im Meer

Seebestatt­ungen werden immer beliebter – Ärger um Gedenkplak­etten

- Von André Klohn

STRANDE (dpa) - Das Ende ist auf See stets gleich: „Zum Abschluss der Fahrt geht immer die Urne über Bord“, sagt Ralf Paulsen. Immer mehr Menschen finden ihre letzte Ruhestätte im Meer. Rund ein Dutzend Seebestatt­er gibt es entlang der Küsten von Nord- und Ostsee. Statistike­n über solche Beisetzung­en in Schleswig-Holstein hat die Bestatter-Innung zwar nicht. „Man kann tendenziel­l aber sagen, dass die Seebestatt­ung zunimmt“, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e Ralf Paulsen.

Nach Schätzung des Bundesverb­andes Deutscher Bestatter gab es in Nord- und Ostsee im vergangene­n Jahr fast 20 000 Beisetzung­en. Die Nachfrage steigt, sagt Stephan Neuser, Generalsek­retär des Bundesverb­andes Deutscher Bestatter. „Denn die Seebestatt­ung hat den Vorteil, dass anschließe­nd keine Grabpflege nötig ist.“Die Gesamtkost­en einer Seebestatt­ung bewegen sich zwischen 2600 und 8000 Euro.

Gründe für eine Seebestatt­ung gibt es viele. Ein Großteil der Beigesetzt­en hatte einen Bezug zum Wasser. Aber längst nicht mehr nur ehemalige Seeleute wollen im Meer bestattet werden. „Ein Drittel unserer Kunden kommt aus Schleswig-Holstein, die anderen aus ganz Deutschlan­d“, sagt Norman Ludwig.

Seine kleine Reederei aus Kiel übernimmt seit mehr als 30 Jahren Seebestatt­ungen. Mehrere Hundert Mal sticht er dafür von Strande bei Kiel aus in See. „Es wird von Jahr zu Jahr etwas mehr.“Nach einer halben Stunde Fahrt auf der Ostsee hat Ludspäter wigs „Nordica“ihr Ziel unweit des Kieler Leuchtturm­s erreicht. Der 38Jährige stoppt die Maschine und setzt die Flagge auf halbmast. Etwa fünf Minuten dauert die dann folgende Trauerzere­monie. Vier Doppelschl­äge der Schiffsglo­cke ertönen. „Acht Schläge waren an Bord eines Schiffes das Zeichen für den Wachwechse­l“, sagt Ludwig. „Bei uns stehen sie für den Übergang von einer Welt in eine andere.“

Nachdem die Urne und Blumen zu Wasser gelassen sind, umkreist das Schiff die Position noch einmal. Eine Bestattung­surkunde hält die genaue Position fest. Danach geht es wieder zurück. Doch wo können Hinterblie­bene ihrer Angehörige­n gedenken? In dem kleinen Ferienort Strande mit seinen 1700 Einwohnern ist darüber aktuell ein Streit entbrannt. Anlass sind rund 20 Plaketten, die Hinterblie­bene dort am Uferweg angebracht hatten – in Erinnerung an Verschiede­ne.

Mittlerwei­le ließ Bürgermeis­ter Holger Klink (CDU) sie entfernen. „Es geht nicht darum, den Trauernden ihre Trauer zu verbieten“, sagt der 51-Jährige. „Bei rund 800 Seebestatt­ungen vor dem Bülker Leuchtturm pro Jahr muss das aber geregelt werden, damit das mit den Plaketten nicht aus dem Ruder läuft.“

Eine Zeit lang habe die Gemeinde dies trotz eines anderslaut­enden Beschlusse­s geduldet. Nach Beschwerde­n musste der Lokalpolit­iker kürzlich tätig werden und ließ die Plaketten entfernen. „Die sind aber nicht weggeschmi­ssen worden“, sagt er. Seit einem halben Jahr steht an dem Uferweg ein Verbotssch­ild mit der Warnung: Neue Plaketten würden kostenpfli­chtig entfernt. Das sei keine Boshaftigk­eit der Gemeinde, sagt Klink. Aber: „Einige Spaziergän­ger, Touristen und auch Anwohner haben sich gestört gefühlt, wenn sie dort quasi durch einen Ort der Trauer gehen.“

Es braucht maritimes Flair

Trauerexpe­rtin Sabine Bobert von der Universitä­t Kiel kann das Aufhängen von Gedenkplak­etten nachvollzi­ehen. „Dahinter steckt die Suche nach einem festen Ort der Trauer“, sagt die Theologin. „Zulassen, aber eindämmen“, rät Bobert und schlägt einen kleinen abgegrenzt­en Bereich für die Erinnerung vor, „mit sehr maritimem Flair“.

Strandes Bürgermeis­ter Klink hat Verständni­s für die Emotionen der Hinterblie­benen. Die Gemeinde sucht deshalb aktuell nach einer Lösung. „Ziel war es immer, den Trauernden einen eigenen Platz zu schaffen, auch in der Nähe des Wassers. Nur eben nicht genau an diesem Ort“, sagt er. Von dort aus sollen Hinterblie­bene beim Trauern „auf das Wasser schauen können, wo die Verwandten am Horizont gewässert wurden“.

Wem das nicht reicht, der kann aber auch einen Trip per Schiff buchen. Die Deutsche See-Bestattung­sgenossens­chaft und auch Ludwigs Reederei bieten Gedenkfahr­ten für Hinterblie­bene an.

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FOTO: DPA Die Urne wird zu Wasser gelassen.

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