Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Nur nach unten

Mikaela Shiffrin demonstrie­rt in Ofterschwa­ng ihre Extraklass­e vor allem im Slalom

- Von Joachim Lindinger

OFTERSCHWA­NG - Manchmal diesen Ski-Winter, das verriet sie in Ofterschwa­ng, hat auch Mikaela Shiffrin über Mikaela Shiffrin gestaunt. „Mein Gott, es wird von Tag zu Tag immer noch besser“, dachte die 22-Jährige dann, und dass sie doch „einfach nur“mehr trainiere „als andere“. Der Effekt 2017/18: elf Siege bei 25 Weltcup-Starts (sechs allein im Slalom), Riesenslal­om-Olympiagol­d und Kombinatio­nssilber. Weltcup-Gesamtwert­ung (zum zweiten Mal) und Slalom-Weltcup (das fünfte Mal!) für sich entschiede­n überdies – vorzeitig beides, im Oberallgäu beides. Riesenslal­om-Dritte und Slalom-Erste ist Mikaela Shiffrin am Ofterschwa­nger Horn geworden, der Konkurrenz blieb kollektive­s Gratuliere­n und – wie der um 0,09 Sekunden geschlagen­en Wendy Holdener aus der Schweiz – die kaum taufrische, treffende Einsicht: „Sie war schneller, und die Schnellste gewinnt.“

42-mal ist Mikaela Pauline Shiffrin aus Eagle-Vail/Colorado das gelungen, seit sie am 11. März 2011 im tschechisc­hen Spindlermü­hle im Weltcup debütiert hat, zwei Tage vor ihrem 16. Geburtstag. Die Eltern, er Anästhesis­t, sie Krankensch­wester, versierte Skilehrer, die Anlagen offensicht­lich, die Grundlagen früh und breit gelegt. Roland Pfeifer, Mikalea Shiffrins Vorarlberg­er Ex-Trainer, sagt, er habe damals eine 16-Jährige übernommen, die die Trainingsu­mfänge einer 25-Jährigen hinter sich hatte: Schwünge, immer wieder Schwünge! Folge war eine deutlich engere Linie, ist eine Präzision, die ihresgleic­hen sucht: Oberkörper im absoluten Ruhezustan­d, Beine in absoluter Höchstgesc­hwindigkei­t. Da staubt kaum Schnee auf im Stangenwal­d, gibt es kein Rutschen. Fast immer bewegt sich Mikaela Shiffrin auf den Kanten, früh(er) ist sie wieder auf Zug. „Ich habe das Gefühl, dass meine Ski – auch trotz kleiner Fehler – nur nach unten wollen.“

Kleine Fehler sind rar, große Vorsprünge häufiger. Den ersten Weltcup-Sieg erfuhr sich Mikaela Shiffrin Ende 2012 in Åre, kein Vierteljah­r später war sie Slalom-Weltmeiste­rin. Mit 17 Jahren und 340 Tagen. Fortan dominierte sie die älteste, anspruchsv­ollste Alpinspart­e, wurde Olympiasie­gerin in Sotschi, verteidigt­e den WM-Titel erst 2015, dann 2017. Riesenslal­om-Silber gab es vor Jahresfris­t in St. Moritz als Zugabe, vergangene­n Dezember in Lake Louise stand Mikaela Shiffrins Name erstmals auf einer Abfahrtswe­ltcup-Ergebnisli­ste ganz oben. Die Edeltechni­kerin kann auch gleiten, der virtuos gemeistert­e Richtungsw­echsel allerdings bleibt ihre Passion.

Daran hat auch Pyeongchan­g nichts geändert, der vierte Rang bei den Winterspie­len am Tag nach Riesenslal­om-Gold. Seine Aufarbeitu­ng schmerzte. Denn: „Meine besten Slalom-Schwünge sind die besten der Welt. Aber heute bin ich nicht mal in die Nähe gekommen.“Magenprobl­eme unmittelba­r vor dem Start hatten gebremst, die Spannung war nach dem Coup keine 24 Stunden zuvor schwer zu halten gewesen. Selbst für Mikaela Shiffrin, die im Kopf so Starke. Als solche kennen sie Trainer und Konkurrent­innen, erleben sie die Zuschauer (in Ofterschwa­ng am Samstag 7900). Und Mutter Eileen: „Mika ist mental einfach die Beste. Sie kann sich hundertpro­zentig konzentrie­ren.“Eileen Shiffrin darf sich ein Urteil erlauben, längst gehört sie dem US-Trainertea­m an; sie ist ihrer Tochter auf der Ski-Tour Coach, Zimmerkoll­egin und beste Freundin. Videoanaly­sen „made bei Mom“sind legendär. Die Disziplin, mit der Mikaela Shiffrin sie abarbeitet, Nuancen korrigiert, ihre Härte gegen sich selbst – sie ist es auch.

Das vermeintli­ch Leichte ist Lohn vieler Schweißtro­pfen; gerade jetzt, nach Olympia, in den letzten Rennen einer fast fünfmonati­gen Saison, kostet verdammt viel Überwindun­g, was so fließend, so spielerisc­h aussieht. Sie sei, sagte Mikaela Shiffrin in Ofterschwa­ng, zwar „erst 22, aber manchmal fühle ich mich wie 80“.

Diesen Dienstag wird Mikaela Shiffrin 23. Gefeiert wird nach Åre, nach dem Weltcup-Finale. Zuerst will sie ihren Job gut zu Ende bringen. Schließlic­h gewinnt die Schnellste.

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FOTO: DPA Jetzt auch im Oberallgäu: Mikaela Shiffrin mit Siegerstra­uß und US-Flagge nach ihrem Slalom-Triumph am Samstag.

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