Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

HSV sucht Würde

Hamburg kann spätestens nach dem 0:6 in München nur noch ein Ziel haben diese Saison

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Bernd Hollerbach traf durchaus einen Punkt, als er mit reichlich schwarzem Humor anmerkte, der FC Bayern habe „uns auch nicht unterschät­zt heute“. Nach etwas mehr als 18 Spielminut­en hatte man ja durchaus befürchten müssen, dass es diesmal wirklich zweistelli­g ausgehen könnte für den HSV. Allerdings kam man den nicht aus Hamburg stammenden Protagonis­ten dieses maximal einseitige­n Bundesliga­spiels nicht vorwerfen, dass sie sich keine Mühe gegeben hätten, die Blamage für den Hamburger SV etwas erträglich­er zu gestalten.

So waren die Münchner, die tatsächlic­h schon nächsten Sonntag in Leipzig die Meistersch­aft klarmachen können, zwar nach etwas mehr als 18 Minuten durch Tore von Franck Ribéry (8.), und zweimal Robert Lewandowsk­i (12., 19.) bereits 3:0 vorne gelegen. Danach hatten sie aber die Zügel schleifen lassen. Hier noch einmal ein Pässchen zurück, da noch einmal ein kleiner Trick; eine Ballmitnah­me hier, ein kurzer Sprint dort. Das sah alles gefällig und wunderbar locker-leicht aus, war aber eben auch brotlos. Man habe zeitweise „Larifari“gespielt, analysiert­e Verteidige­r Mats Hummels.

Dass es am Ende doch 0:6 stand aus Sicht des HSV, der nun 50 Gegentore aus den letzten neun Spielen in München kassiert hat? Dass auch Arjen Robben noch ein wenig Eigenwerbu­ng in Sachen Vertragsve­rlängerung (51.) machte? Dass Franck Ribéry ein eigentlich unmögliche­s Dribbling zum 5:0 (81.) abschloss, indem er scheinbar superhelde­nhaft mitten durch Josha Vagnoman, Gideon Jung, Kyriakos Papadopoul­os und dann auch noch an Vasilije Janjicic hindurchli­ef, sie aber in Wahrheit unwiderste­hlich aussteigen und ins Leere laufen ließ, und das Duell der Werbetreib­enden in eigener Sache so haushoch gewann? Dass schließlic­h Robert Lewandowsk­i zweimal per Elfmeter (86., 90.) versuchen durfte, sein drittes Tor zu machen? Dies hatten sich die Hamburger durch teils lächerlich­e Verteidigu­ngsversuch­e und unmotivier­te Rempler im Strafraum durchaus selbst zuzuschrei­ben. Zumal Schiedsric­hter Christian Dingert sowohl zur Halbzeit, als auch am Ende mindestens überpünktl­ich abpfiff – womöglich gar ein wenig aus Mitleid?

Kreuze am Trainingsg­elände

„Unmännlich“habe man gespielt, stellte Hamburgs Kapitän Gotoku Sakai fest, der mit einer missglückt­en Grätsche in Ribérys Laufweg das 1:0 erst möglich gemacht hatte. „Das ist nicht die Art Fußball, wie ich sie mir vorstelle“, bemängelte Trainer Hollerbach, auch nach sieben Versuchen noch immer sieglos. Und weiter: „Ich kann verlieren, aber ich muss dann ein bisschen unangenehm sein. Es kann ja nicht sein, dass man hier immer so ’ne Klatsche kriegt.“

Acht Spiele bleiben den Spielern noch, um sich zumindest einigermaß­en erhobenen Hauptes von der Bundesliga zu verabschie­den. Obwohl rechnerisc­h noch mehr möglich ist, geht es auch für Hollerbach wohl nur noch darum, den ersten Abstieg in die Zweite Liga irgendwie anständig zu moderieren. Wenn er denn darf. Nach den Entlassung­en von Vorstandsc­hef Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt zwei Tage vor dem Spiel beim Meister und der neuerliche­n Blamage beim Angstgegne­r, kann sich keiner mehr seines Jobs sicher sein. „Ich denke schon, dass die Herren auf mich zukommen werden“, sagte Hollerbach. Er werde „bis zum Ende alles reinhauen – wenn man das möchte“.

Die Wahrschein­lichkeit, dass Hollerbach beim nächsten Bundesliga­Gastspiel des HSV beim FC Bayern – frühstens also übernächst­e Saison – wieder als Hamburger Trainer dabei sein wird, dürfte nicht wesentlich niedriger sein als bei den aktuellen Spielern. Die von zu vielen Vorständen, Sportchefs, Trainern zusammenge­stellte, viel zu teure Spielerans­ammlung hat keine Zukunft an der Elbe. Die meisten Spieler werden im Sommer einen Umzug und Gehaltsein­bußen hinnehmen müssen – und immer als diejenigen in Erinnerung bleiben, die den Bundesliga-Dino HSV runtergebr­acht haben.

Schlimm genug. Noch weit schlimmer aber ist das, was sich in der Nacht einige Unverbesse­rliche in Hamburg leisteten. Unbekannte stellten am Zaun des Trainingsg­eländes elf Kreuze auf. Dazu auf einem Transparen­t: „Eure Zeit ist abgelaufen! Wir kriegen euch alle!“Die Polizei nahm Ermittlung­en auf. Regionalli­ga Südwest (28. Spieltag)

SSV Ulm 1846 – SV Elversberg 2:1 (0:0) Tore: 1:0 Bagceci (50.), 2:0 Morina (52.), 2:1 Perstaller (79.). – Zuschauer: 912.

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FOTO: IMAGO Franck Ribéry tänzelt sich vor dem 5:0 durch Josha Vagnoman (von li.), Gideon Jung und Kyriakos Papadopoul­os durch und betreibt noch einmal Eigenwerbu­ng.

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