Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kinderporno-Skandal: Kirche in Erklärungsnot
Der zuständige Kirchenpfleger in Heilbronn wusste seit Sommer 2017 von Vorwürfen gegen den Erzieher
HEILBRONN (lsw) - Im Fall eines in Missbrauchs- und Kinderporno-Vorwürfe verstrickten Ex-Kindergartenleiters gerät die Kirche immer mehr in Erklärungsnot. Wie der mit der Aufklärung beauftragte Pfarrer Matthias Treiber sagte, wusste der für die Kindergärten zuständige Kirchenpfleger seit Sommer 2017 von den Vorwürfen gegen den Erzieher. Bislang hieß es bei der Landeskirche, erste Infos stammten aus dem November, man habe sofort gehandelt.
Warum der Kirchenpfleger über Monate nichts tat, müsse aufgeklärt werden, sagte Treiber. „Bis Ostern sollten wir soweit sein.“Der Kirchenpfleger habe seine Verantwortung für 24 kirchliche Kindergärten abgegeben. Treiber zufolge hatte sich der Erzieher dem Kirchenpfleger gegenüber als unschuldig dargestellt – er sei da „in was reingeraten“. Der Auflösungsvertrag sei erst am 17. Januar unterschrieben worden, noch am 18. und 19. Januar sei der Erzieher aber im Kindergarten gewesen. Treiber sprach von bisher „unerklärlichen Abläufen“in der Kirche.
Im Februar 2016 war der Erzieher beim Tauschen von Kinderpornos erwischt worden. Im Mai 2016 wurden bei einer Hausdurchsuchung mehr als 10 000 Bilder und 900 Videos mit kinderpornografischem Inhalt gefunden. Dass bis zur ersten Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft im Januar 2018 mehr als eineinhalb Jahre vergingen, begründete ein Sprecher des Amtsgerichts Heilbronn mit einer extrem langwierigen Prüfung der Bilder.
Der in Haft sitzende Erzieher sei privat umtriebig gewesen, habe Ausflüge organisiert und ehrenamtlich sehr viele Kontakte gehabt, sagte Treiber. 2014 wurde der Mann von der damaligen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) für seine Arbeit ausgezeichnet.
Nachdem Ende vergangener Woche bekannt wurde, dass der Mann einen Achtjährigen sexuell missbraucht und das mit Kamera aufgenommen haben soll, wurde ein für den 16. März geplanter Prozess aufgehoben, bei dem es allein um den Besitz und das Verbreiten von Kinderpornos gehen sollte. Nun besteht auch der Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs. Das Verfahren soll nun im späten Frühjahr beginnen.