Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Landwirt fürchtet weitere Biberschäden
Geschützter Nager ist in Sibratshaus aktiv – Biberbeauftragter Schmid: Land hilft bei Schutzmaßnahmen
SIBRATSHAUS - Einmal hat Martin Schlachter den Biber selbst gesehen, der ihm derzeit Kummer in der Obstanlage bereitet: Da glitt das Tier gerade über den Damm in die Schussen bei Sibratshaus. Das Tier ist damals untergetaucht, die Spuren freilich bleiben. Ein Apfelbaum ist ganz durchgenagt, an vierzig bis fünfzig weiteren ist die Rinde so schwer beschädigt, dass die Bäume wohl absterben werden, weil die Säfte die Krone nicht mehr erreichen können.
„Ich hoffe, dass er lustlos wird“, sagt Schlachter. Immerhin kann der Biber die angedrahteten Obstbäume nicht ins Wasser ziehen. Doch dass die letzten Tage ruhig waren, muss nichts heißen. Von der Schussen zieht sich eine tiefe Spur durch den Schlamm zu einer Mulde, in der Wasser steht, und von dort zu den Bäumen in der Anlage. An der Mulde steht eine Weide. Die allerdings sieht aus wie ein Bündel Pfähle. Von den Zweigen und Ästen fehlt jede Spur. Auch an den Obstbäumen sind die Spuren der kräftigen Kiefer und scharfen Zähne des Tiers zu sehen.
Vor zwei Wochen sei ihm der Schaden erstmals aufgefallen, sagt Schlachter. Der Effekt ist angesichts der gesamten Fläche derzeit noch begrenzt: 16 Hektar bewirtschaftet er insgesamt, elf in Sibratshaus und fünf in Unterbaumgarten. Das macht bei etwa 4000 Bäumen pro Hektar geschätzte 64 000 Bäume.
Doch Schlachter fürchtet, dass der Biber in den folgenden Tagen noch weitere Schäden anrichten könnte. Die sind derzeit kaum bezifferbar: Jeder Baum muss dafür einzeln betrachtet werden. Wie viele Jahre hätte er Früchte tragen können? Wie hoch ist die entgangene Erntemenge?
Und neue Bäume bedeuten zugleich einen höheren Pflegeaufwand, etwa beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Hier muss in der Anlage mitten in der Arbeit die Dosierung geändert werden. „Das ist natürlich viel einfacher, wenn alle Bäume gleich alt sind“, sagt Schlachter. Dann seien solche Maßnahmen nicht notwendig.
„Alle Gewässer besiedelt“
Dieter Schmid ist Biberbeauftragter des Landratsamts Bodenseekreis. 2010/11 gab es die ersten Nagespuren im Landkreis. „Mittlerweile gehen wir davon aus, dass alle Gewässer im Kreis besiedelt sind“, sagt der Ökologe. Gewässer wie Schussen, Argen oder Rotach staue das geschützte Tier nicht auf: Hier reiche der Wasserspiegel aus, um Biberbauten in der Böschung anzulegen, bei denen der Einstieg unter Wasser möglich sei. Sprich: Dort fällt der Biber nur auf, wenn er Schäden verursacht.
Dämme bildet der Biber nur bei flachen Gewässern, dort schafft er sich seinen Lebensraum: „Der Biber läuft nicht gern und versucht, alles schwimmend zu erledigen.“Wenn alles grünt und blüht, versorgt er sich mit frischen Pflanzen. Im Winter ernährt er sich von Ästen und Rinde. Gibt es kein anderes Nahrungsangebot, treten vor allem im Herbst und Winter eben Schäden wie bei den Bäumen von Martin Schlachter auf. Dafür nimmt der Biber auch Wege von ein paar Metern an Land in Kauf.
Natürliche Gewässerrandstreifen seien das beste Gegenmittel, sagt Schmid. Denn dann könne sich der Biber direkt am Wasser versorgen: „Hier wäre mit wenig Fläche sehr viel zu erreichen.“Sehe man als Spaziergänger angenagtes Material, solle man das liegen lassen, sagt Schmid: „Sonst geht der Biber noch an weitere Pflanzen. So holt er das Material einfach irgendwann ab.“
Eine Entschädigung gibt es anders als in Bayern nicht: Dort ist der Biber aktiv angesiedelt worden, in Baden-Württemberg verbreitet er sich selbst. Die Materialien für Schutzmaßnahmen wie Drahthosen für Einzelbäume aber stellt das Land. Martin Schlachter wird es wohl mit einem Elektrozaun versuchen. Dazu hat ihm der Biberberater geraten.
Einen Videobeitrag zum Thema finden Sie im Internet unter schwaebische.de/schussenbiber18