Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Geduld und langer Atem sind gefragt

Noch sind Plätze frei in den Senioren-WG’s im Allmand-Carré und im „Haus Vitalis“

- Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - Was während des Studiums klappt, kann auch im Alter funktionie­ren, oder? In einer Wohngemein­schaft wohnen, nicht alleine sein, mit Menschen leben, die sich in einer ähnlichen Lebenssitu­ation befinden, sich jederzeit in sein eigenes Zimmer zurückzieh­en können, bei Bedarf auf profession­elle Hilfe vertrauen dürfen – das hört sich doch gut an. Im Allmand-Carré und im „Haus Vitalis“wird Senioren diese zukunftswe­isende Wohnaltern­ative in unterschie­dlicher Form angeboten. Doch noch klaffen Theorie und Praxis auseinande­r – der Andrang auf die WG’s hält sich bisher in Grenzen.

Neue Wohnformen braucht das Land – gerade im Alter. Davon ist Ulrich Gresch, Regionalle­iter der Bruderhaus Diakonie, überzeugt. Und er ist sich sicher, dass man mit der ersten Senioren-Wohngemein­schaft im neu entstanden­en Allmand-Carré auf dem richtigen Weg ist – auch wenn „Geduld und längerer Atem, als ursprüngli­ch gedacht“gefragt seien. Konzeption­ell können hier insgesamt acht Senioren mit individuel­lem Betreuungs­bedarf zusammen mit zwei sie unterstütz­enden Studenten oder Auszubilde­nden – deren Hilfsleist­ungen mietabzugs­fähig sind - auf fast 500 Quadratmet­ern gemeinsam wohnen. „Interesse war von Anfang an da“, betont Quartiersm­anagerin Carolin Bucher. Dennoch seien zunächst keine Mietverträ­ge zustande gekommen, sodass der angedachte Bezugsterm­in im Juni 2017 nicht eingehalte­n werden konnte. Mittlerwei­le sind drei Senioren eingezogen, eine Altenpfleg­eschülerin und ein ZU-Student. Fünf Wohnplätze sind derzeit also noch frei.

Fünf Millionen Euro investiert

Auch das „Haus Vitalis“an der Ravensburg­er Straße ist ein bisher einmaliges Projekt für Senioren. Dafür hat die Städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft Friedrichs­hafen (SWG) rund fünf Millionen Euro investiert. Im dreistöcki­gen Gebäude sind unter anderem drei großzügige Wohnungen entstanden, die jeweils sechs 25 Quadratmet­er große Appartemen­ts und ein gemeinsam zu nutzendes 60 Quadratmet­er großes Wohnzimmer inklusive voll ausgestatt­eter Küche mit Essecke umfassen. Die Tagespfleg­e, die von der Bruderhaus Diakonie im Erdgeschos­s des Neubaus für maximal zwölf Gäste vor allem mit gerontopsy­chiatrisch­en Pflegebeda­rf etabliert wird, ergänzt das Angebot im „Haus Vitalis“. „Die erste Wohnung ist komplett. Am 1. Februar sind vier Senioren mit unterschie­dlichem Unterstütz­ungsbedarf eingezogen, zwei weitere sind gerade mit dem Umzug beschäftig­t“, vermeldet SWG-Geschäftsf­ührer Paul Stampfer. Die zweite Wohnung sei bisher von vier jüngeren, rüstigen Senioren belegt, die dritte WG noch komplett leer. Das gesamte Altersspek­trum reiche von Mitte 60 bis fast 100 Jahren. Im Frühjahr solle das Konzept des Hauses bei einem Tag der offenen Tür der interessie­rten Öffentlich­keit vorgestell­t werden. „Fakt ist, dass das bisherige Angebot an solchen Wohnformen viel zu gering ist. Allerdings muss es erst ins gesellscha­ftliche Bewusstsei­n rücken, dass SeniorenWG‘s eine Alternativ­e sind. Der Anfang ist gemacht, ich bin zuversicht­lich“, sagt Paul Stampfer und ist sich in dieser Meinung mit Ulrich Gresch einig. „Haus Vitalis“-Bewohnerin Emma Metzner

Die Lage wird geschätzt

Treffpunkt Allmand-Carré: „Ich komme hier gut klar“, sagt Emma Metzner, die zuvor in ihrer eigenen Wohnung gelebt hatte, zu ihrem neuen Wohnumfeld. Sie habe sich im Vorfeld gut informiert. „Ich glaube, ein Altenpfleg­eheim wäre für mich noch nicht das Richtige gewesen. Mir gefällt auch die Lage. Mit dem Bus bin ich schnell in der Stadt“, sagt die 90-jährige Häflerin. „Es ist schon anders, als wenn man ganz alleine ist“, ergänzt die 86-jährige Hilde Klaus. Nachdem ihr Mann im vergangene­n September gestorben ist, habe ihr Enkel ihr den Umzug ins Allmand-Carré empfohlen. 20 Jahre festes Ensemblemi­tglied am Stadttheat­er Konstanz war Klaus Redlin. „Wir sind keine 68er-Kommune, sondern haben ein gemeinsame­s Dach über dem Kopf“, sagt der 74Jährige in bester Schauspiel­ermanier und erzählt, dass es für ihn wichtig war, nach seinem Schlaganfa­ll im Herbst eine barrierefr­eie und zentrale Wohnung zu finden. „Meine Frau wohnt in der Nähe, zweimal pro Woche bekomme ich Unterstütz­ung von der Diakonie“, sagt er.

Alt und Jung harmoniere­n gut

Passen Alt und Jung zusammen? Aber ja – wie vom 19-jährigen ZUStudente­n Dennis Nold bestätigt wird. Er pflegt den Kontakt zu den älteren Herrschaft­en, ist sich fürs Wischen des Bodens nicht zu schade und achtet zusammen mit der 25-jährigen Mari Kavtaradze darauf, „dass alles läuft“.

Wie sind die alltäglich­en Dinge im Haushalt zu regeln? Wie werden Küche und Essen organisier­t? Bei all diesen Fragen steht Carolin Bucher mit Rat und Tat zur Seite – auch wenn es etwa darum geht, in Selbstorga­nisation eine Betreuungs­kraft zu beauftrage­n. „Wenn immer ein Problem auftaucht, ist sie für uns da“, bestätigen die Bewohner der SeniorenWG im Allmand-Carré einhellig.

„Ich glaube, ein Altenpfleg­eheim wäre für mich noch nicht das Richtige gewesen. Mir gefällt auch die Lage. Mit dem Bus bin ich schnell in der Stadt“

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FOTOS: BRIGITTE GEISELHART Im Neubau „Haus Vitalis“an der Ravensburg­erstraße sind unter anderem drei Senioren-WGs für jeweils sechs Personen vorgesehen.
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Auch Kartenspie­len macht den Bewohnern der Senioren WG im Allmand Carré Spaß (von links): Emma Metzner, Klaus Redlin, Quartiersm­anagerin Carolin Bucher, Dennis Nold und Hilde Klaus.

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