Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Neue Rätschen beleben einen alten Brauch
Manfred Schmäh und Urban Bernhard schreinern für die katholische Kirchengemeinde Meersburg
MEERSBURG - In Meersburg klappert und knarrt es am Karfreitag und Karsamstag wieder laut: Der katholischen Kirchengemeinde sind zwei Rätschen aus Holz gestiftet worden. Sie ersetzen bis Ostersonntag das Läuten der Kirchenglocken.
Die etwa einen Meter langen Rätschen wurden von Manfred Schmäh und Urban Bernhard geschreinert. „Jeder von uns hat 35 Stunden an einer Rätsche gearbeitet“, berichtet Manfred Schmäh, in dessen Familienbetrieb sie die Werkstatt nutzen konnten. Als Vorlage diente nicht etwa ein Bauplan, sondern eine alte Rätsche. Sie befindet sich im Kirchturm von Kippenhausen, dem Heimatort von Manfred Schmäh.
Eine Rätsche funktioniert ähnlich wie eine Spieluhr: An einem etwa einen Meter langen Hohlkörper sind an einer Seite biegsame Latten mit einem Hammerkopf befestigt. Am oberen Ende des Kastens befindet sich eine Walze mit Zapfen. Wird sie mit einer Kurbel gedreht, ziehen Zapfen die Hämmer nach oben und lassen sie wieder auf den Hohlkörper krachen.
Ähnliche Modelle verwenden übrigens manche Narren in der Fasnet. „Kirche und Fasnet sind oft ineinander übergegangen“, sagt Pfarrer Matthias Schneider. Übrigens passt es auch deswegen gut, dass ausgerechnet Manfred Schmäh und Urban Bernhard die neuen Rätschen gebaut haben: Sie sind die Meersburger Narreneltern.
Die beiden Männer verwendeten vier verschiedene Holzarten für die Rätschen. „Der Schallkörper ist aus Fichte, der Igel aus Rotbuch, die Hämmer und die Kurbel aus Eiche und die Seitenteile und die Streben aus Esche“, sagt Urban Bernhard. Sie bauten zwei unterschiedliche Ausführungen: eine mit Öffnungen am Klangkörper, eine ohne Öffnungen. „Dadurch klingt eine hell und die andere dumpf“, erklärt Manfred Schmäh.
Alte Rätsche stand im Kirchturm
Rätschen und klappern hat in der Karwoche Tradition. „Am Gründonnerstag beginnt nach dem Gloria das heilige Schweigen“, erläutert Pfarrer Matthias Schneider. „Dann hören die Kirchenglocken auf zu läuten und auch die Orgel wird nicht mehr gespielt.“Die Ministranten übernehmen in dieser Zeit das Klappern und Rätschen, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen. Die Geräusche verleihen der Trauer um das Leiden und Sterben Jesu Ausdruck.
Ähnlich wie in Kippenhausen gab es früher auch im Meersburger Kirchturm eine Rätsche. Ältere Meersburger können sich noch daran erinnern, in der Karwoche an ihrer Kurbel gedreht zu haben. „Sie war ungefähr zwei Meter groß“, sagt Fridolin Ruther, der in den 50er-Jahren acht Jahre lang ministrierte – und während dieser Zeit auch rätschte. „Vom Mesner gab es damals Most für uns Buben“, berichtet er und lächelt verschmitzt.
Die alte Rätsche, die im Kirchturm befestigt war, gibt es schon lange nicht mehr. In den vergangenen Jahren hat sich die Kirchengemeinde mit Leihgaben aus Pfarrer Schneiders Privatsammlung beholfen. Mit Handklappern und einer tragbaren Rätsche, die sich locker unter den Arm klemmen lässt. Die neuen Rätschen werden künftig nicht in der Kirche betätigt, sondern vor der Tür – in der Kirche wäre es viel zu laut.
Pfarrer Schneider hatte schon lange das Anliegen, dass Manfred Schmäh der Kirchengemeinde Rätschen baut. Er habe ihn jedoch immer wieder vertröstet und geantwortet, dass er sie spätestens zur Kommunion seiner Enkel baut, sagt der Pfarrer. Sein Versprechen löst Manfred Schmäh nun ein, denn am Sonntag erhält seine Enkelin Emmi die Erstkommunion.
Die Rätschen sind erstmals an Karfreitag zum Gottesdienst um 15 Uhr und zur Mette um 19 Uhr zu hören. Außerdem klappern sie am Karsamstag um 9 und 21 Uhr.