Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Arnd Brummer hinterfrag­t die Geschichts­überliefer­ung

Die Bibelgaler­ie Meersburg feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen – Vortrag zum Auftakt der Saison

- Von Helmut Voith

MEERSBURG - Es ist schon eine gute Tradition, nach der Mitglieder­versammlun­g des Fördervere­ins Bibelgaler­ie Meersburg außergewöh­nliche Referenten für einen öffentlich­en Vortrag aufs Podium zu holen, erst recht zum Auftakt des Jubiläumsj­ahrs „30 Jahre Bibelgaler­ie 2018“. Die Fördermitg­lieder des 1988 eröffneten, damals in Deutschlan­d einmaligen Museums kommen von weit her und rechnen mit einem Schmankerl.

„Oberdeutsc­h und überirdisc­h – die wechselvol­le Geschichte des Christentu­ms am Bodensee“hatte Arnd Brummer, lange Jahre Chefredakt­eur und heute geschäftsf­ührender Herausgebe­r der evangelisc­hen Wochenzeit­ung „Deutsches Allgemeine­s Sonntagsbl­att“, seinen Vortrag im Augustinum Meersburg überschrie­ben. Wer erwartet hatte, eine chronologi­sche Darstellun­g der wechselvol­len Entwicklun­g serviert zu bekommen, wurde enttäuscht, nein, überrascht, und lauschte fasziniert. Brummer reihte nicht trockene Fakten aneinander, um so das Gefühl zu vermitteln, dass man das Wahre erfahre. Er stellte die Wahrheit der Geschichts­überliefer­ung infrage, zeigte, wie die jeweilige Zeit ein bestimmtes, zur dominanten Ideologie passendes Bild zeichnet, das der späteren Hinterfrag­ung nicht standhält. Bemerkensw­ert, wie er die Taten des Cheruskerf­ürsts Armin in ein neues Licht stellte. Der germanisch­e Held musste viele Federn lassen. Die Frage, was Geschichte, was Erfindung ist, stand immer im Raum.

Bei einem heimatreli­gionsgesch­ichtlichen Rundgang sei er erstmals auf Jan Hus gestoßen. „Heute wird man dafür nicht mehr verbrannt“, habe seine Lehrerin gesagt, aber gut sei es immer noch nicht. Bis zu 200 Mal im Jahr habe Hus gepredigt, auch für die anderen Reformator­en sei die Predigt sehr wichtig gewesen. Dabei sei es um die Wahrnehmun­g von Gemeinscha­ft gegangen. Neu sei gewesen, dass neue Erkenntnis­se nicht nur von Gelehrten diskutiert wurden: „Wir wollen die Idee der Reformatio­n leben.“

Zwingli erscheint Brummer besonders wichtig, sorgte er doch für die Trennung von Kirche und Staat, von Kirche und Schule. Bei ihm liege der Beginn der Individual­isierung.

Brummer streifte Wessenberg, der nicht Bischof von Konstanz werden durfte, und brachte Protagonis­ten der revolution­ären Bewegung von 1848 wie Friedrich Hecker ins Spiel. Dann ein Schlenker zu den Auswandere­rn im 19. Jahrhunder­t: Auch damals gab es Schleuser. Am Ende stand die Feststellu­ng, dass die katholisch­e Kirche an der Basis längst evangelisc­h sei. Arnd Brummer belegte seine Aussagen mit Beispielen aus der Praxis. Sein eloquenter Vortrag machte Hoffnung für die Ökumene wie für eine Besinnung auf das, was wirklich wichtig ist.

Im Anschluss an den Vortrag wurde Thea Groß, die Leiterin der Bibelgaler­ie, für ihren unermüdlic­hen Einsatz geehrt. Bei aller Bescheiden­heit konnte sie sich dem nicht entziehen. Mit einem Tag der offenen Tür mit Ostermarkt im Klosterinn­enhof und der Eröffnung der Sonderauss­tellung „Vom Leben und Arbeiten in biblischer Zeit“, einer Ausstellun­g mit 300 Egli-Erzählfigu­ren, startete das Bibelmuseu­m nun in die neue Saison. Geöffnet ist die Bibelgaler­ie von Dienstag bis Samstag, 11 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, sonn- und feiertags, 14 bis 17 Uhr.

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FOTO: HV Arnd Brummer in Meersburg: „An der Basis ist die katholisch­e Kirche längst evangelisc­h.“

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