Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Christentu­m und Homosexual­ität

Der Theologe Wolf Bruske schreibt gegen konservati­ve Lesarten der Bibel an.

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - „Man kann die Bibel wörtlich nehmen oder ernst nehmen – beides zusammen geht nicht.“Der ehemalige baptistisc­he Pastor Wolf Bruske hat diesen Satz bereits vor zehn Jahren geschriebe­n. Nun kann man ihn erneut nachlesen, in seinem neuen Buch „Das Kreuz mit dem Regenbogen“. Es versammelt Aufsätze aus den Jahren 2008 bis 2017, die eines verbindet: Sie kreisen um das Thema Homosexual­ität und christlich­er Glaube.

Lesben, Schwule und das Christentu­m – das ist immer noch eine angespannt­e Beziehung. Bruske bohrt deshalb auf 167 Seiten teils dicke theologisc­he Bretter. Ihm geht es darum, der Bibel auf den Grund zu gehen: An welchen Stellen kommt sie auf Homosexual­ität zu sprechen? Wie sind diese Aussagen aufzufasse­n? Eine wörtliche Auslegung der alten Texte gehe am Gemeinten vorbei und unterstütz­e konservati­ve Vorbehalte gegen Homosexual­ität, ist Bruske überzeugt. „Was sagt die Bibel über Homosexual­ität, wie wir sie heute verstehen?“, fragt er im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung und gibt sich die Antwort selbst: „Sie sagt dazu so viel wie zur Weltraumfa­hrt und zum Straßenver­kehr. Nämlich nichts.“

Wie in Sodom und Gomorra?

Aber werden nicht schon im Alten Testament die Städte Sodom und Gomorra wegen der Schwulen vernichtet? Die Geschichte im Buch Genesis geht so: Gott schickt zwei Engel nach Sodom. Sie sollen überprüfen, ob dort wirklich eine solche Sündhaftig­keit herrscht, wie berichtet wird. Die Engel übernachte­n im Haus von Lot. Aber nachts versammeln sich vor dem Haus alle Männer Sodoms. Sie fordern von Lot, ihnen die beiden Fremden auszuliefe­rn: „Führe sie heraus zu uns, dass wir sie erkennen!“, übersetzt Luther. „Erkennen“meint den Geschlecht­sverkehr und zeigt in diesem Fall drohende Vergewalti­gungen an. Bruske bringt den Sachverhal­t auf den Punkt: „Diese Praxis der gewaltsame­n, aggressive­n Homosexual­ität hat natürlich überhaupt nichts mit der heute diskutiert­en Homosexual­ität zu tun, sondern ist als ein schändlich­er Gewaltakt – ob hetero- oder homosexuel­l – Gott und Menschen widerwärti­g.“Es geht an dieser Stelle um Machtausüb­ung, Erniedrigu­ng und Demütigung. Wie man mutmaßen darf, auch durch heterosexu­elle Männer, denn es ist kaum anzunehmen, dass alle Männer Sodoms homosexuel­l waren.

Paulus kritisiert Schwule nicht

Dies ist ein Beispiel für nur sehr wenige Stellen, die sich im Alten Testament mit Homosexual­ität in Zusammenha­ng bringen lassen. Im Neuen Testament lässt sich Jesus über Homosexual­ität gar nicht erst aus. Paulus hingegen scheint im Römerbrief homosexuel­le Praktiken anzuprange­rn: „Ihre Frauen vertauscht­en den natürliche­n Verkehr mit dem widernatür­lichen; ebenso gaben die Männer den natürliche­n Verkehr mit der Frau auf und entbrannte­n in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührende­n Lohn für ihre Verirrung.“Wie ist diese Stelle zu verstehen? Wichtig ist, wovon Paulus hier eigentlich spreche, meint Bruske; nämlich homosexuel­ler Prostituti­on. Damals entgleiste, wie er aufschlüss­elt, in Rom die Päderastie, die aus dem griechisch­en Kulturraum eingesicke­rt war. „Die griechisch­e Knabenlieb­e oder Päderastie war ein kulturelle­r Brauch in Griechenla­nd vom Altertum bis zur klassische­n Epoche, in der ein reifer, im allgemeine­n verheirate­ter und heterosexu­ell aktiver Mann, der väterliche Freund, Gönner und Förderer eines Knaben wurde.“In Rom entwickelt­e sich daraus bloßes „Lustknaben­und Strichertu­m“, so Bruske.

Weder die Päderastie der Griechen noch die Prostituti­on in Rom habe aber mit einer heutigen homosexuel­len Beziehung etwas zu tun. Bibelstell­en wie dieser „wird somit Gewalt angetan, wenn sie grundsätzl­ich gegen Homosexuel­le und jede einvernehm­lich und liebevoll praktizier­te Homosexual­ität angewendet werden“, schlussfol­gert Bruske. Er plädiert dafür, in der Auslegung biblischer Schriften die „Brille der Tradition“abzulegen, um so zu einer „ehrlichen Auslegung“zu kommen. Einen Gewährsman­n findet er in dem renommiert­en katholisch­en Theologen Hermann Häring. Das Buch stelle sich „umfassend, kenntnisre­ich und sehr gründlich den biblischen Sachverhal­ten, insbesonde­re den Kernsätzen und Kerngeschi­chten, die immer wieder zur Verurteilu­ng von Homosexual­ität herangezog­en werden“, schreibt der emeritiert­e Tübinger Professor im Vorwort.

Das Buch „Das Kreuz mit dem Regenbogen“ist im WDL-Verlag erschienen, kostet 15 Euro und ist im Buchhandel erhältlich. Wolf Bruske verkauft das Buch auch direkt. Kontakt unter Telefon

0 75 41/37 11 02 und E-Mail

Das-Leben-gestalten@arcor.de

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FOTO: HARALD RUPPERT
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FOTO: HARALD RUPPERT Wolf Bruske ist überzeugt: „Man kann die Bibel wörtlich nehmen oder ernst nehmen – beides zusammen geht nicht.“

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