Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Häfler Kulturlebe­n auf dem Prüfstand

Viele Festivals, wenig Popkonzert­e – Sachstands­bericht zeigt Entwicklun­gspotenzia­l

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Stadt hat keine profession­elle freie Theatersze­ne, das Kulturprog­ramm für jüngere Zielgruppe­n reicht noch nicht aus und es gibt nur wenige Pop- und Rockkonzer­te internatio­nal bekannter Stars in Friedrichs­hafen. Der Bericht zum Stand des Kulturentw­icklungsko­nzepts redet nicht um den heißen Brei herum. Am heutigen Mittwoch wird er um 16 Uhr im Kulturund Sozialauss­chuss vorgestell­t.

Vorschläge, wie sich das Kulturlebe­n in der Stadt künftig entwickeln sollte, finden sich darin noch nicht. Sie sollen in einem zweiten Schritt erst entwickelt werden. Aufschluss­reich ist aber die erarbeitet­e Liste der Stärken, Schwächen und Chancen. Besonders aus den Chancen und Schwächen lässt sich ablesen, wo die Verwaltung noch Entwicklun­gsbedarf ausmacht. Deshalb lohnt es sich, sie in den Blick zu nehmen.

Jazz auf schwachem Fundament

Gut steht die Jazzmusik da. An Auftritten regionaler und internatio­naler Musiker gibt es keinen Mangel. Die Situation des veranstalt­enden Vereins Jazzport ist dagegen verbesseru­ngswürdig. So ist es laut Vorlage problemati­sch, dass die „Jazz am Donnerstag“-Konzerte in der Gaststätte Amicus im Fallenbrun­nen stattfinde­n. Dadurch sei das Jazzangebo­t vom wirtschaft­lichen Erfolg des Gastgebers abhängig: „Jazzport kann im ungünstigs­ten Fall von heute auf morgen vom Wirt gekündigt werden.“Außerdem habe der Verein eine geringe finanziell­e Absicherun­g. Hier kann man anfügen: Jazzport bekommt von der Stadt bislang lediglich 2500 Euro pro Jahr im Rahmen der regulären Vereinsför­derung. Zudem hat das Kultusmini­sterium Baden-Württember­g vor einem Jahr neue Richtlinie­n zur Jazzförder­ung beschlosse­n, durch die Jazzport finanziell auszublute­n droht.

In der Popmusik fehle es Friedrichs­hafen an Konzerten bekannter Stars sowie an einer „konkurrenz­fähigen Open Air-Veranstalt­ung“. Mit Blick auf das Limp Bizkit-Konzert im August vor dem GZH könnte sich diese Einschätzu­ng bald ändern. GZH-Leiter Matthias Klingler will sommerlich­e Open Air-Konzerte zur festen Einrichtun­g machen. Laut Vorlage mangelt es Friedrichs­hafen auch an Konzerten im Bereich der Independen­t-Popmusik.

In der bildenden Kunst gibt es organisato­risch starke Akteure wie das Zeppelin-Museum, die ZF-Kunststift­ung und das Artsprogra­m der ZU. Im ehrenamtli­chen Bereich – hier kann man Kunstverei­n, Plattform 3/3, Kunst in Kluftern und auch die Galerie Lutze nennen – sei das Engagement aber oft an einzelne Personen gebunden. Damit steht es freilich auf nicht sehr stabilen Beinen.

Rein ehrenamtli­ch arbeitet auch das Kino Studio 17 des Kulturvere­ins Caserne. Diese Arbeitswei­se mache den „potenziell­en Ausbau des Angebots derzeit unmöglich“.

Stadt mit vielen Festivals

Mit Festivals ist Friedrichs­hafen reichlich ausgestatt­et: Kulturufer, Filmtage, Jazz & More, Bodenseefe­stival, Seekult, Theatertag­e am See, Lange Nacht der Musik, City of Music, FAB-Festival, Kunstfreit­ag, Wunderwelt­en, Orgelherbs­t, Sommerkonz­erte in der Schlosskir­che und Literaturh­erbst hat die Stadt zu bieten. Sind es vielleicht zu viele Festivals? Im Sachstands­bericht wird befürchtet, sie könnten einander Konkurrenz machen. Der Literaturh­erbst liegt abseits dieser Bedenken, scheint aber keine Zukunft zu haben: „Als Festival hat sich der Literaturh­erbst nicht durchgeset­zt und wird voraussich­tlich eingestell­t.“

Für Menschen mit Migrations­hintergrün­den müsste es laut Sachstands­bericht mehr Kulturange­bote geben. Ambivalent wird dagegen das Angebot für Studenten betrachtet. Zwar gäbe es in Friedrichs­hafen keine Clubszene und auch die Kneipenkul­tur sei schwach ausgeprägt. Anderersei­ts sei es schwierig, die Studenten zu erreichen. Der „richtige Kommunikat­ionsweg“müsse noch gefunden werden. In Sachen Öffentlich­keitsarbei­t haben laut Bericht vor allem die Kulturvere­ine aufzuholen. Weil es ihnen für Werbung an Geld fehle, falle es ihnen schwer, mit ihren Angeboten wahrgenomm­en zu werden. Zudem fehle ihnen eine gemeinsame Plattform für Kulturterm­ine und Ideenausta­usch. Auch eine Koordinier­ungsstelle für Kulturvere­ine wird vermisst.

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