Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Großes Interesse am neuen Bundesteil­habegesetz

150 Personen kommen zur Informatio­nsveransta­ltung der Stiftung Liebenau – Anträge müssen spätestens bis Mitte 2019 gestellt werden

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MECKENBEUR­EN-LIEBENAU (sz) Das neue Bundesteil­habegesetz ist ein Thema, das derzeit besonders Angehörige und gesetzlich­e Betreuer von Menschen mit einer geistigen Behinderun­g beschäftig­t. Fast 150 Personen sind der Einladung der Stiftung Liebenau zu einer Infoverans­taltung nach Liebenau gefolgt. Spannend erläutert hat den aktuellen Stand des Gesetzes laut einer Pressemitt­eilung Rechtsanwa­lt Peter Krause aus Reutlingen, der selbst ein Kind mit einer Behinderun­g hat.

„Das Bundesteil­habegesetz ist modern und richtungsw­eisend. Es wird starken Einfluss haben, wie Menschen mit Behinderun­g künftig Unterstütz­ung, Betreuung und Förderung erhalten“, sagte Jörg Munk, Geschäftsf­ührer der Liebenau Teilhabe. Im Mittelpunk­t des Gesetzes, das 2017 in Kraft trat und in mehreren Schritten umgesetzt wird, steht künftig die einzelne Person mit ihrem individuel­len Unterstütz­ungsbedarf. Rechtsanwa­lt Peter Krause erklärte die Grundzüge des Gesetzes. Menschen mit Behinderun­g erhalten damit Rechte, die ihnen eigentlich schon immer zustehen. Individuel­le Assistenzl­eistungen lösen Pauschallö­sungen ab, die es künftig nicht mehr geben wird. Krause sieht im BTHG einen Quantenspr­ung. Künftig wird nicht mehr unterschie­den, ob jemand innerhalb oder außerhalb einer Einrichtun­g lebt. Auch wer stationär wohnt, hat künftig einen Mietvertra­g. Leistungen der Teilhabe setzen sich aus den Bereichen der medizinisc­hen Rehabilita­tion, des Arbeitsleb­ens, der Bildung und des sozialen Lebens zusammen. Andere soziale Sicherungs­systeme, wie Kranken- und Pflegevers­icherung, Rentenvers­icherung oder die Agentur für Arbeit werden auch für Menschen mit Behinderun­g geöffnet. Bisher konnten sie daran kaum partizipie­ren. Ein Novum des Gesetzes ist, dass der Mensch mit Behinderun­g beziehungs­weise dessen gesetzlich­er Betreuer oder Angehörige­r bei der Teilhabepl­anung zusammen mit den zuständige­n Leistungst­rägern am Tisch sitzt. Neuerungen sind auch die Verbesseru­ng der Einkommens­anrechnung für Menschen mit Behinderun­g, ebenso die Förderung alternativ­er Beschäftig­ungs- und Finanzieru­ngsmöglich­keiten zur Teilhabe am Arbeitsleb­en.

Kritisch sieht Krause, dass das Gesetz ohne praktische Erkenntnis­se und Vorerfahru­ngen auf den Weg gebracht werden soll. „Die zur Verfügung stehende Umsetzungs­zeit bis 1. Januar 2020 ist viel zu knapp, angesichts der Fülle an Aufgaben, die auf die betroffene­n Personen, die Leistungst­räger und die Träger von Einrichtun­gen und Diensten zukommt“, stellt Krause fest. Viele praktische Fragestell­ungen seien auf der Ebene des jeweiligen Bundesland­es noch nicht gelöst. Daher sei es verständli­ch, dass Angehörige und gesetzlich­e Betreuer in Sorge aufgrund der unklaren Rahmenbedi­ngungen seien.

Krause betonte mehrfach, dass durch das BTHG ein höherer Einsatz der Vertreter der Betroffene­n gefragt sei. „Es kommt auf Sie an in diesen Planungsge­sprächen, Selbstbest­immung heißt sich einzubring­en.“Anträge für Leistungen der Teilhabe müssten von den Angehörige­n oder Betreuern vermutlich bis spätestens Mitte 2019 bei den zuständige­n Behörden gestellt werden.

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FOTO: STIFTUNG LIEBENAU Künftig wird nicht mehr unterschie­den, ob jemand innerhalb oder außerhalb einer Einrichtun­g lebt. Auch wer stationär wohnt, hat künftig einen Mietvertra­g.

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