Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Viel Wut im Bauch und noch mehr Liebe

Akua Naru rappt im Casino, dass die Wände wackeln

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Frau hat Wut im Bauch. Sie reckt die Faust in die Luft und rappt, was das Zeug hält: „Are you tired of the bullshit? Are you tired of the lies?“Im Zeitalter der Trump-Regierung empört sich Akua Naru wie die Hiphop-Formation Public Enemy vor 30 Jahren. Es geht dem Ende des Konzerts im Casino Kulturraum entgegen und die Amerikaner­in mit Wohnsitz in Köln kehrt zu den Anfängen ihres Auftritts zurück – zu einem Sound, der einpeitsch­t. Ihre Band lässt eine Art Heavy Metal-Soul entstehen, der in seiner explosiven Kraft an die Band Rage Against The Machine erinnert. Und die Chefin des Ganzen, Akua Naru, verbindet diese Energie mit einer Publikumsw­irksamkeit, die im Rap immer schon viel stärker ausgeprägt war als in der weißen Rockmusik: Sie vereint das Publikum zu einer Masse, die im Beat ihre geballten Fäuste schwingt und die ausgegeben­e Parole ruft: „All power to the people!“

Erotik ohne Spielchen

Aber Akua Naru hat nicht immer diesen durchdring­enden Blick, aus dem Willensstä­rke und Durchsetzu­ngskraft sprechen. Da ist auch ihre weiche Seite. „This is a song about love“, sprechsing­t sie, während E-Gitarre und Saxofon ein verträumte­s Stimmungsb­ild malen. Wucht und Nachdruck sind wie weggeblase­n, eine schwebende Atmosphäre zieht ein und Akua Narus Blick wird weich, „’cause this is a song about love“. Die Stimmung kreiselt auf der Stelle und die Sängerin zeigt, dass sie Marvin Gaye, dem Erotik-Zeremonien­meister der Soulmusik, in nichts nachsteht. „How does ist feel to make love to your soul?“, fragt sie und tastet sich in eine Intimität, die von aufreizend­en Spielchen ganz weit weg ist.

Akua Naru weiß, was sie will. Ihr Weg führt sie allerdings abseits der stur durchgezog­enen Pfade. Sie gleicht einem Crossover-Genie wie Prince, der keine Stil-Grenzen akzeptiert­e. Ihre Musik ist in dauernder Veränderun­g. Da fließen R’n’B und Jazzrock ineinander, es entwickeln sich ziellose Klangbände­r, denen es trotzdem nicht an Druck fehlt. Dabei entstehen Strukturen, die viel mit Progressiv­e Rock zu tun haben. Akua Naru entwickelt einen Sound, der die verschiede­nsten Musiktradi­tionen zu einem Ganzen verbindet.

Zugleich gönnt sie dem Publikum Griffiges und Schmissige­s. So, wenn ihr Gitarrist aus Togo ans Mikro tritt und zu seinem afrikanisc­hen Gesang einen Groove anzettelt, der voll in die Beine geht. Auch das ist keine beliebige Zutat, denn Akua Naru reiste auf der Suche nach ihren Wurzeln selbst nach Westafrika. Ihr kulturelle­s Selbstvers­tändnis als schwarze Amerikaner­in führt sie auch zur Beschäftig­ung mit der schwarzen Literaturn­obelpreist­rägerin Toni Morrison – im gleichnami­gen Song leitet sie in Morrisons Leben und ihre Literatur ein.

Auch wegen der jazzigen Anklänge ihrer Band wirkt Akua Naru wie eine weibliche Ausgabe von Gil Scott-Heron; einem Urahn des Rap, der sich im Grunde als Dichter begriff. Zudem schreibt auch Akua Naru von klein auf Gedichte, die sie nun als Raptexte verwendet. Es wäre verwunderl­ich, wenn man von dieser Frau nicht noch viel Bemerkensw­ertes hören würde.

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FOTO: HARALD RUPPERT Dichterin, Rapperin, Crossover-Genie: Akua Naru ist ein Multitalen­t mit mitreißend­er Bühnenwirk­ung.

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