Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kopfüber in die Rockgeschi­chte

Die Rockin’ 60s geben im Theater Atrium ein beglückend­es Tanzkonzer­t

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Uwe Ziesche zeigt auf sein T-Shirt, auf das Konterfei von Elvis Presley. „Das ist Heino“, sagt er, „als er jung war und noch nicht erblindet“. Dann legt die Band los und Uwe lässt seine Stimme tänzeln, dass es klingt, als groove sie auf Zehenspitz­en. Elvis’ „That’s alright (Mama)“ist nur einer von zahllosen Songs, mit denen die Rockin’ 60s ihr Publikum im Theater Atrium im Nu zum Tanzen verführen. Vom dritten Song an bis um Mitternach­t leert sich das Parkett nicht mehr.

Rau wie ein Bandschlei­fer

Dass die Zuhörer trotz der City of Music reichlich strömen, ist dem guten Namen der Häfler Band geschuldet. Und einmal mehr wird sie ihm gerecht. Übrigens nicht nur mit Rock’n’Roll-Songs, wie Hubert Ammann zeigt: Der Gitarrist spielt die instrument­ale Ballade „Albatros“von Fleetwood Mac traumhaft entspannt, Schlagzeug­er Bruno Knapp klöppelt die Felle sanft mit den Filzstöcke­n – nur, um dann bei „Suzie Q“. kräftig auf die Becken zu dengeln. Im Ganzen zaubert die Band hier einen Sound, der ein Bad in den schlammige­n Sümpfen des Mississipp­i genommen hat und Uwe Ziesches Stimmbände­r nehmen das Mikro so rau ran wie ein Bandschlei­fer. Nach seinem Herzinfark­t vor zwei Jahren, mitten während eines Konzerts, hat er seine volle Stimme wiedererla­ngt. Das zeigt sich auch bei diversen Songs von Jerry Lee Lewis, allen voran „Great Balls of fire“, in dem Uwes Gesang gluckst und gellt, dass es eine Freude ist. Zum originalen Jerry Lee fehlt ihm nur noch ein mit den Schuhsohle­n gespieltes Klavier.

Dann ist da noch Jandy Guttenberg­er. 72 Jahre ist er alt, 70 davon spielt er Gitarre – wie er in „Rock around the clock“von Bill Haley zeigt, mit unverminde­rter Geschwindi­gkeit. Seine Finger greifen die markanten Riffs, als sei seit dem Jahr 1954 kein Tag vergangen. Viel Nostalgie ist bei dieser Kombo also nicht im Spiel, denn sie rockt und rollt die Songs von damals, als seien sie gerade erst frisch vom Baum gefallen. Das gilt auch für die Balladen. „Wollt ihr schmusen?“, fragt Uwe Ziesche und singt „One night with you“von Elvis, ohne zu viel Sentimenta­lität in der Stimme. Im Tanzbereic­h findet sich eine Damenriege, die eine Choreograf­ie dazu kreiert: eine Mischung aus Line Dance und Schunkel-Sirtaki.

Aber auch die Pose der Rebellen und Outlaws steht den Rockin’ 60s. Eddie Cochrans „Summertime Blues“geht deshalb ab wie ein AmiSchlitt­en mit durchdrehe­nden Reifen. Mit „Hunky Tonk Woman“von den Stones verwandelt sich Uwe Ziesche schließlic­h in einen Cowboy. Wie sonst sollte man ihn bezeichnen, wo er doch im Takt die Kuhglocke dengelt? An entlegener­e Songs wagt sich die Band ebenfalls. Darunter ist „The Ballad of John and Yoko“von John Lennon und Yoko Ono, mit dem markanten Bassmotiv von Uwe Urbarz. Süffisant nimmt John Lennon darin sein Leben als Superstar auf die Schippe und den lieben Gott gleich mit: „Christ you know it ain't easy. You know how hard it can be.“Zu später Stunde ehrt es die Rockin’ 60s, dass sie Chuck Berrys „Sweet little 16“spielen und nicht den davon abgeschrie­benen Beach Boys-Hit „Surfin’ USA“. Im Grunde vervollstä­ndigt das aber nur das Bild, das man von den Ailinger Rockern im Lauf des Abends gewinnt: dass sie von jedem Abklatsch weit entfernt sind.

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FOTO: RUP Frontmann Uwe Ziesche

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