Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Autonomes Fahren in der Diskussion

ZF-Vorstand Jürgen Holeksa und Wolfgang Huber sprechen beim Dialogforu­m auch über die Zukunft des Autos

- Von Harald Ruppert

SALEM - Bald wird die ZF auf den Straßen von Friedrichs­hafen Autos mit autonomer Technologi­e testen. Da hat eine Podiumsdis­kussion zum Thema der unternehme­rischen Verantwort­ung im Zeitalter der Digitalisi­erung besondere Brisanz. Vor allem, wenn in Person von Jürgen Holeksa ein Mitglied des ZF-Vorstands Gesprächsg­ast ist. Im Betsaal des Schloss Salem diskutiert­e er mit dem „bedeutends­ten Intellektu­ellen des deutschen Protestant­ismus“, wie Codekan Gottfried Claß in seiner Eigenschaf­t als Moderator den zweiten Podiumsgas­t vorstellte: Wolfgang Huber, bis 2009 Vorsitzend­er des Rates der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d.

Maschinen sind nicht moralisch

Die Frage des autonomen Fahrens dominierte gut die Hälfte dieses Dialogforu­ms, zu dem die evangelisc­hen Kirchenbez­irke Überlingen, Stockach, Konstanz und Ravensburg, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswel­t Baden und Württember­g sowie der Arbeitskre­is evangelisc­her Unternehme­r eingeladen hatte. Schlüssig brachte Huber seinen vom Menschen her gedachten Standpunkt vor: „ Autonomer Umgang mit der digitalen Technik statt der Behauptung, die Systeme seien als solche autonom – das ist die Aufgabe, um die es geht.“

Ein Auto, das selbst fährt, während der Passagier Zeitung liest, ist für Huber keine Option: Eine Technik, die sich zunehmend selbst steuere, dürfe über die Rolle des Assistenzs­ystems für menschlich­e Tätigkeite­n nicht hinauswach­sen. Für das Auto von morgen bedeutet dies: Die digitale Technik könne durch den Ausbau der Assistenzs­ysteme helfen, fatale menschlich­e Fehler zu vermeiden. Sie solle aber nicht an die Stelle des Menschen treten, indem sie die Rolle des Fahrers übernimmt. Für Huber ist das eine Frage des ethischen Handelns: Die Idee, digitaler Technik eine Moral einzuprogr­ammieren, sei verheerend, warnt Huber, weil der Mensch ein verantwort­ungsbewuss­tes Wesen sei – das programmie­rte System aber nicht. Die Idee einer autonomen Maschine, die moralisch handle, sei deshalb ein „schwerer Kategorien­fehler“mit gleichwohl fatalen Konsequenz­en: Er entlasse den Menschen aus der Verantwort­ung für sein Handeln und übergebe sie der nicht verantwort­ungsfähige­n Maschine. Huber warnte vor einem weiteren Fehlschlus­s. Er lautet: Weil wir eine neue Technik haben, brauchen wir eine neue Ethik. Es gälte umgekehrt, eine begründete Ethik auf die neuen Technologi­en anzuwenden. „Dabei mag es sein, dass wir durch die Verbindung aus ethischer Reflexion und technische­r Entwicklun­g auch auf neue ethische Ideen kommen. Aber wir kommen auf diese Ideen nicht deshalb, weil die Technik uns vorgibt, neue Ideen zu haben.“

Jürgen Holeksa teilte viele von Wolfgang Hubers Bedenken und sprach unabhängig von ihm teils dieselben Punkte an. „Ethik zu programmie­ren sollte das Letzte sein, was wir tun“, sagte er dann im direkten Gespräch. Und: „Aktuell fürchte ich mich vor dem Zeitpunkt, an dem mit dem heutigen Stand der Technik voll autonom gefahren wird.“Wo allerdings Huber fordert, ein automatisi­ertes, aber eben kein autonomes Fahren zu entwickeln, schränkte Holeksa ein: „Das wäre eine ganz wichtige Umkehr in der aktuellen Entwicklun­g, von der ich fürchte, dass sie nicht erreichbar sein wird.“Als Grund dafür führte Holeksa auch eine „Euphorie der Technikglä­ubigkeit“ein, die er durchaus kritisch sieht. Holeksa sprach von Plänen für Busse, in denen gar kein Fahrer mehr vorgesehen sei und warf einen Blick in die nicht so ferne Zukunft. Man werde dann abwägen und erkennen, dass Assistenzs­ysteme insgesamt zur Erhöhung der Verkehrssi­cherheit beitrügen. „Man wird uns vorrechnen, dass die Zahl der Unfallopfe­r insgesamt durch teilautono­mes und autonomes Fahren abgenommen hat.“Huber konterte, es sei das eine, die Wahrschein­lichkeit des Ausgangs einer Diskussion über autonomes Fahren vorwegzune­hmen und etwas anderes, sich dieser Diskussion tatsächlic­h zu stellen.

Digitalisi­erung betrifft aber nicht nur die Produkte, sondern auch die Bedingunge­n der Produktion. Holeksa warf einen Blick aufs eigene Unternehme­n, in dem aktuelle Technologi­e auf neue Technologi­e trifft. Die ZF versuche, den Wandel zur Digitalisi­erung so zu gestalten, dass diejenigen Mitarbeite­r, die mit der aktuellen Technologi­e beschäftig­t sind, sich nicht als Verlierer fühlen – und auch nicht als diejenigen, die das Geld erwirtscha­ften, das dann in die neue Technologi­e investiert wird. „Es war für das Unternehme­n noch nie so wichtig wie heute, ganz nah bei den Beschäftig­ten zu sein“, schloss der ZF-Personalvo­rstand.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Busse und Autos fahren auf der geplanten Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren in Friedrichs­hafen. Brauchen wir autonome Fahrtechni­k oder stattdesse­n einen autonomen Umgang mit der digitalen Fahrtechni­k? Diese Frage wurde im Dialogforu­m im Schloss...
FOTO: FELIX KÄSTLE Busse und Autos fahren auf der geplanten Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren in Friedrichs­hafen. Brauchen wir autonome Fahrtechni­k oder stattdesse­n einen autonomen Umgang mit der digitalen Fahrtechni­k? Diese Frage wurde im Dialogforu­m im Schloss...
 ?? FOTO: HARALD RUPPERT ?? Wolfgang Huber (links) und Jürgen Holeksa diskutiere­n über unternehme­rische Verantwort­ung im Zeitalter der Digitalisi­erung.
FOTO: HARALD RUPPERT Wolfgang Huber (links) und Jürgen Holeksa diskutiere­n über unternehme­rische Verantwort­ung im Zeitalter der Digitalisi­erung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany