Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Höchststra­fe für Abdeslam

Mutmaßlich­er Paris-Attentäter wegen versuchten Polizisten­mordes in Belgien verurteilt

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Salah Abdeslam galt eine Zeit lang als einer der meistgesuc­hten Terroriste­n Europas. Nun ist das erste Urteil gegen ihn gefällt worden. Ein weitreiche­nderes dürfte noch folgen. Während seiner Flucht hatte Abdeslam auf drei belgische Polizisten gefeuert – nun soll er für 20 Jahre ins Gefängnis. Das Brüsseler Gericht folgte der Forderung der Staatsanwa­ltschaft und verhängte die Höchststra­fe gegen den 28-Jährigen.

Abdeslam ist vermutlich der letzte lebende Beteiligte an den Pariser Terroransc­hlägen vom November 2015, bei denen 130 Menschen starben und sich mehrere Attentäter in die Luft sprengten, darunter sein Bruder Brahim. Kurz nach Salahs Festnahme im Brüsseler Marokkaner­viertel Molenbeek im März 2016 wurden am dortigen Flughafen und an einer Metrostati­on ebenfalls Attentate verübt. Diese Taten aber waren nicht Gegenstand des am Montag beendeten Verfahrens. Wenige Tage zuvor, am 15. März 2016, hatte sich Abdeslam mit zwei Komplizen in einer Wohnung im Stadtteil Forest versteckt gehalten. Die Polizei erhielt einen entspreche­nden Tipp. Als sich drei Beamte dem Gebäude näherten, wurden sie beschossen und verletzt. Die hinzugeruf­enen belgischen und französisc­hen Spezialein­heiten lieferten sich eine stundenlan­ge Schießerei mit den Bewohnern. Als sie eindringen konnten, fanden sie den algerische­n Islamisten Mohamed Belkaid tot neben seiner Kalaschnik­ow. An der Wand eine Fahne der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS).

Auch 20 Jahre für Ayari

Zwei Männer konnten damals entkommen. Die Ermittler sind überzeugt, dass es sich um Abdeslam und Sofien Ayari handelte, einen heute 24-jährigen Tunesier, der 2015 im Flüchtling­sstrom über die Türkei und Griechenla­nd nach Europa gekommen sein soll. Auch er war in dem aktuellen Verfahren angeklagt und muss ebenfalls für 20 Jahre hinter Gitter. Die Angeklagte­n wurden zudem verurteilt, Schadeners­atz in Höhe von 500 000 Euro an den belgischen Staat sowie an einen schwer verletzten Polizisten zu zahlen. Abdeslam und Ayari blieben der Urteilsver­kündung fern. Beide Angeklagte können Berufung einlegen.

Abdeslams Bruder Mohamed, der ihn zunächst regelmäßig im Gefängnis besucht hat, sitzt seit Februar selbst in Untersuchu­ngshaft. Er wird beschuldig­t, beim Überfall auf eine Angestellt­e der Gemeinde Molenbeek als Tippgeber mitgewirkt zu haben. Die Frau hatte Gemeindeei­nnahmen in Höhe von 68 000 Euro ohne Begleitsch­utz zur Bank bringen sollen und war dabei von einem Täter ausgeraubt worden, der sie mit dem Messer bedrohte. Mohamed Abdeslam arbeitet bei der Gemeinde Molenbeek.

1998 bezog die Familie Abdeslam eine Sozialwohn­ung in Molenbeek. Als nach der Gemeindera­tswahl 2012 die Mehrheit im Stadtrat wechselte, wurden die Mieter von Sozialwohn­ungen daraufhin überprüft, ob sie zum Kreis der Berechtigt­en gehörten. Familie Abdeslam musste ausziehen, da das Familienei­nkommen zu hoch war. Als Brahim, der spätere Paris-Attentäter, von dem Beschluss erfuhr, rannte er zur Kommunalve­rwaltung, bedrohte dort Angestellt­e und trat die Türe ein.

Salah Abdeslam und Sofien Ayari wurden drei Tage nach der Schießerei in Forest in Molenbeek gefasst. Abdeslam war wenige Stunden nach der Pariser Terrorwell­e mit drei Begleitern im Auto an der belgischen Grenze kontrollie­rt worden. Später fand man seine Spuren und Hinweise auf das Fahrzeug in der Nähe der Tatorte. Er soll seinen Sprengstof­fgürtel weggeworfe­n haben und gilt als einziger Überlebend­er der Anschläge. Auch die Brüsseler Attentate soll er mit vorbereite­t haben. Zwar wurde der in Belgien geborene Franzose, dessen Familie aus Marokko stammt, vier Tage vor den Bombenatta­cken auf die Brüsseler Metro und den Flughafen gefasst. Die Ermittler vermuten aber, dass seine Verhaftung dazu führte, dass die Anschläge überstürzt und dilettanti­sch ausgeführt wurden.

Die Ermittlung­en zu den Pariser und Brüsseler Attentaten sind aktuell noch nicht abgeschlos­sen. Es wird damit gerechnet, dass frühestens 2019 Anklage erhoben werden kann. Dann muss sich Abdeslam erneut vor Gericht verantwort­en.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Rechtsanwä­lte Romain Delcoigne (Mitte, links) und Sven Mary, Verteidige­r des angeklagte­n IS-Terroriste­n Abdeslam, kündigten an, mit ihrem Mandanten zu erörtern, ob er in Berufung gehen wolle.
FOTO: DPA Die Rechtsanwä­lte Romain Delcoigne (Mitte, links) und Sven Mary, Verteidige­r des angeklagte­n IS-Terroriste­n Abdeslam, kündigten an, mit ihrem Mandanten zu erörtern, ob er in Berufung gehen wolle.

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