Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Angeklagte­r entschuldi­gt sich wortreich

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RAVENSBURG (bs) - Vor dem Landgerich­t Ravensburg ist der Prozess gegen einen 31-jährigen Mann aus Meßkirch fortgesetz­t worden. Ihm wird vorgeworfe­n, als Mitglied einer Gruppe von gewerbsmäß­igen Betrügern, die sich als Polizeibea­mte und Staatsanwa­lt ausgaben, ältere Menschen um Schmuck und Geld gebracht zu haben. Der 31-Jährige, der am ersten Verhandlun­gstag ein umfassende­s Geständnis abgelegt hatte, fungierte demnach in vier Fällen in Ravensburg, Friedrichs­hafen und Stuttgart als sogenannte­r Abholer.

Offenbar – so wird am zweiten Verhandlun­gstag deutlich – lassen die Spuren in diesem Betrugsfal­l auch auf Hintermänn­er in der Türkei schließen. Diesen Schluss jedenfalls lässt die Aussage eines Kriminalbe­amten zu, der aussagt. Er war am Tag der Festnahme des Angeklagte­n der Einsatzlei­ter, führte die Vernehmung­en mit dem 31-Jährigen und wertete die Spuren auf dessen Handy aus. Der Beamte spricht von „organisier­ter Kriminalit­ät“und berichtet, dass der Angeklagte zu den „Hintermänn­ern, bei denen der Großteil der Beute landet“, keine Aussage gemacht habe. Fest steht jedoch, dass „in den Tatphasen“beim Betrug einer 94-jährigen alleinsteh­enden Ravensburg­er Seniorin alleine 44 Anrufe einer Frau nachvollzi­ehbar sind, die den angeklagte­n Abholer offenbar dirigiert hat. Dabei handelt es sich um eine Frau mit türkischem Namen, die laut polizeilic­her Ermittlung­sergebniss­e jahrelang in Sigmaringe­n gewohnt hatte und dann „nach unbekannt verzogen“ist – in die Türkei. Zumindest vorübergeh­end. Denn dorthin und auf ihren Namen musste der 31-Jährige 1000 Euro transferie­ren, wie ein Western Union Beleg beweist, den der Angeklagte mit seinem Handy abfotograf­iert hatte. „Sie müsste mit Sicherheit zur Tätergrupp­e im Hintergrun­d gehören“, sagt der Kriminalha­uptkommiss­ar. Die Auswertung­en der anderen Handydaten ergab zudem, dass der 31-Jährige bereits Monate vor dem Betrugsfal­l in Stuttgart nach der Adresse des dortigen Opfers gesucht und diese in den „Favoriten“abgespeich­ert hatte.

Davon will der Angeklagte nichts wissen. Dafür aber entschuldi­gt er sich immer wieder wortreich („Ich schäme mich gerade sehr“und „Ich fang auch gleich zu heulen an“) bei der als Double für die 94-jährige Seniorin eingesetzt­e Beamtin der Friedrichs­hafener Kripo. Die 57-jährige Beamtin schildert wortkarg ihren ersten Einsatz als verdeckte Beamtin in Ravensburg, in dessen Folge der 31Jährige am 30. November schließlic­h festgenomm­en werden konnte. Sie habe ziemliche Angst gehabt, gezittert und im Anschluss auch geweint, sagt sie vor Gericht aus. Der Verteidige­r, der ausgerechn­et diese Zeugin in die Mangel nimmt, sie immer wieder und nachdrückl­ich nach den Vorbereitu­ngen auf diesen Einsatz fragt, hält diesen für „skandalös“. Am Donnerstag, 26. April, erwartet das Gericht die Plädoyers und will anschließe­nd zu einem Urteil kommen.

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