Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Die Trasse muss möglichst weit ins Hinterland“
Immenstaads neuer Bürgermeister Johannes Henne über die ersten 100 Tage im Amt, aktuelle Bauprojekte und Verkehrsplanung
IMMENSTAAD – Johannes Henne (30) ist seit Mitte Januar neuer Bürgermeister von Immenstaad. Im Gespräch mit Alexander Tutschner hat er eine erste Bilanz gezogen und seine wichtigsten Projekte für die nächsten Jahre benannt.
Herr Henne, wie sind die ersten 100 Tage als Bürgermeister von Immenstaad gelaufen?
Ich bin gut im Rathaus angekommen, die meisten Themen habe ich mittlerweile grob abgeklopft. Die Zusammenarbeit mit den Amtsleitern und den Mitarbeitern ist sehr konstruktiv und parallel konnte ich auch schon die eine oder andere Veränderung anstoßen. Da hat jeder Bürgermeister natürlich seine eigenen Schwerpunkte. Eine gerade fertiggestellte Organisationsuntersuchung unterstützt uns dabei, unsere Strukturen und Prozesse anzupassen und noch besser zu werden.
Wo wollen Sie den Hebel ansetzen?
Wir haben ein großes Problem im öffentlichen Sektor, Personal zu finden und müssen deshalb unter anderem die Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Das ist mein Anspruch. In der Zukunft wird außerdem ein Bürgerbüro Relevanz bekommen, wir wollen uns dem Bürger, dem Kunden, noch mehr öffnen. Kommunikation ist für mich ein ganz wichtiges Thema, wir wollen transparenter werden nach außen und mehr Bürgerbeteiligung betreiben. Dazu muss die Verwaltung umso mehr effizient und serviceorientiert arbeiten. Wir hatten zuletzt auch eine Klausurtagung mit dem Gemeinderat abgehalten, bei der wir uns intensiv fernab der üblichen Sitzungsagenden über wichtige kommunalpolitische Themen ausgetauscht haben.
Was war das wichtigste Thema?
Wir haben uns vor allem mit einer künftigen städtebaulichen Leitlinie befasst. Die Frage war und ist nach wie vor, wie sich unser Ortsbild künftig entwickeln soll. Das wollen wir im weiteren Prozess auch gemeinsam mit der Bevölkerung diskutieren und dann im Gemeinderat einheitliche Maßgaben definieren. Wie groß dürfen Gebäude sein, wie wollen wir den Verkehr lenken, wie kann Nahverdichtung aussehen, wie soll der öffentliche Raum gestaltet werden – das sind wichtige Fragen, für deren Beantwortung ein Gesamtkonzept nötig ist.
Gerade haben Sie ihren ersten Haushalt als Bürgermeister verabschiedet, die Einnahmesituation ist nicht gerade rosig ...
Wenn man die Einnahmesituation des letzten Jahres anschaut, muss man klar sagen, dass wir uns in naher Zukunft erstmal auf das Wesentliche konzentrieren müssen. Wir stemmen das enorme Pensum an Aufgaben nicht, das gewünscht ist. Wir müssen uns deshalb auf die großen Ziele fokussieren. Diese Maßgabe steckt im aktuellen Haushaltsplan bereits drin, künftig werden wir aber noch deutlicher auf sparsames Haushalten achten müssen. Dafür möchte ich mich auch persönlich einsetzen, wenn ich bei der Aufstellung der kommenden Haushaltspläne von Anfang bis Ende involviert bin. Wir müssen uns dann immer wieder fragen, welche Themen müssen wir sofort angehen, welche schieben wir und welche können wir mittelfristig angehen.
Vor allem die wichtige Gewerbesteuer ist eingebrochen ...
2016 hatten wir eine Rekordeinnahme aus der Gewerbesteuer von 8,3 Millionen Euro. Im letzten Jahr mussten wir rund 500 000 Euro zurückzahlen. Diese Schwankungen sind in Immenstaad aber nichts Neues. Ich bin guter Dinge, dass wir dieses Jahr wieder auf ein solideres Niveau kommen. Die Wirtschaftsförderung, zum Beispiel im Hinblick auf unser neues Gewerbegebiet Steigwiesen II, wird für uns wichtig sein. Wir brauchen mehr Betriebe, damit wir langfristig mehr Kontinuität in die Gewerbesteuer bekommen.
Wie werden also die aktuellen Großprojekte Kinderhaus Seegaddel und Bauhof finanziert?
Wir hatten eine sehr gute Rücklage, an die müssen wir in diesem Jahr ran. Schon recht bald wird dieses Polster aber aufgebraucht sein, sodass wir uns zeitnah Gedanken machen müssen, wie es weitergeht. Wir werden künftig jedenfalls nicht umhinkommen, Kredite aufzunehmen.
Wie ist der Stand beim Bauhof?
Der Neubau des Bauhofs ist verabschiedet und auf den Weg gebracht, wir rechnen mit rund 3,5 Millionen Euro Baukosten. Das Genehmigungsverfahren läuft aktuell noch, wir hoffen aber, dass wir im Herbst den Spatenstich hinbekommen. Die Bauzeit wird dann rund eineinhalb Jahre betragen. Parallel werden wir uns Gedanken machen, was mit dem wertvollen Gelände passieren soll, auf dem jetzt der alte Bauhof steht.
Wann kann die Kindertagesstätte Seegaddel gebaut werden?
Bei der Kita Seegaddel sind wir in der Feinabstimmung. Es gibt viele Anforderungen, die in der Detailplanung zu berücksichtigen sind. Wir werden das Thema in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen behandeln. Spätestens im Juni soll ein Beschluss stehen. Die letzten Berechnungen von vor zwei Jahren gingen von 4,8 Millionen Euro Baukosten aus, damit werden wir aber nicht hinkommen, die Baukosten sind in den letzten Jahren generell gestiegen. Die Kinder ziehen derzeit ins Provisorium in die Stephan-Brodmann-Schule um. Unser Wunsch wäre, dass wir in den nächsten Monaten mit dem Abriss und dann im Herbst oder spätestens zu Beginn des Jahres 2019 mit den Bauarbeiten beginnen können. Wir rechnen mit eineinhalb bis zwei Jahren Bauzeit, solange wären die Kinder in der Interimslösung untergebracht.
Die Linzgauhalle ist ein Dauerthema in Immenstaad ...
Zusammen mit dem Ortsbaumeister und dem Hausmeister habe ich vor einigen Wochen einen Rundgang gemacht, bei dem wir alle neuralgischen Punkte erfasst haben, insbesondere auch, um zu sehen, wo wir die Halle mit kleinen Maßnahmen auf Vordermann bringen können.
Auch bei der Schule gibt es Handlungsbedarf ...
Die Grundschule muss erweitert und saniert werden, wir haben Platzmangel. Die Räume sind nicht mehr zeitgemäß, sie erfüllen die aktuellen und künftigen Anforderungen an modernen Unterricht nicht mehr – Stichwort: Digitalisierung. Die Bausubstanz der Schule ist grundsätzlich solide und könnte sich für eine Sanierung und Erweiterung eignen.
Davon hängen die anderen Planungen ab ...
Ja, wir haben einen städtebaulichen Entwurf für das ganze Linzgauhallen-Areal. Den muss man sicherlich nochmal auf den Prüfstand stellen. Denkbar wäre hier ein Stufenplan: Die Hauptschule kommt weg, die Linzgauhalle bleibt zunächst stehen, um für Sport und Kulturveranstaltungen den nötigen Platz zu haben. An die Stelle der alten Hauptschule kommt dann eine neue Sporthalle. Und langfristig ersetzt man die jetzige Linzgauhalle durch eine Kulturhalle. Alle Planungen hängen von der Entwicklung der Finanzen ab.
Die Prioritätenliste lautet also ...
Bauhof und Seegaddel vollends realisieren, dann in die Planungen zur Grundschule einsteigen und wenn wir wissen, wie die aussehen soll, muss über die Sporthalle/Linzgauhalle gesprochen werden. Wir werden auf keinen Fall alles auf einmal schaffen. Wir müssen schrittweise vorgehen und immer die finanzielle Situation im Auge behalten.
Wie ist die Lage im Tourismus und was halten Sie von der Echt-Bodensee-Card?
Wir haben uns gut entwickelt, was die Übernachtungszahlen angeht. Wir müssen uns aber auch überlegen, wie sich der Tourismus für die Zukunft wappnen muss. Angebote, Marketing, Digitalisierung sind wichtige Themen. Wir werden am 2. Mai ein Tourismusforum im Bürgersaal veranstalten, um Impulse zu setzen und Ideen einzuholen. Das Fo- rum soll nach Möglichkeit mindestens einmal pro Jahr stattfinden. In diesem Jahr wird auch die EBC ein Thema sein. Aus meiner Sicht sollten wir die Zeit nochmals nutzen, um mit unseren Gastgebern ins Gespräch zu kommen und ein Meinungsbild einzuholen. Grundsätzlich halte ich eine Gästekarte für eine gute Sache.
Der Ausbau der B 31 ist das Zukunftsthema für Immenstaad, wie ist der aktuelle Stand?
Wir sind intensiv im Dialog-Prozess und die unterschiedlichen Interessengruppen haben sich in den vergangenen Monaten in der Gemeinde präsentiert. Klar ist schon jetzt, dass der Prozess noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird und eine finale Entscheidung noch dauern wird. Schließlich handelt es sich um einen intensiven Prozess, an dem viele Personen und Gruppierungen beteiligt sind. Es gibt ein komplexes Untersuchungsverfahren über Verkehrsströme, Flora, Fauna und die Landschaftsnutzung. Gegen Ende des Jahres soll auf dieser Grundlage ein Raster entstehen, wo mögliche Routen verlaufen könnten. Aus Sicht der Gemeinde Immenstaad ist eines ganz klar: Die B 31 darf nicht an der jetzigen Stelle ausgebaut werden, sonst verlieren wir jede Entwicklungsmöglichkeit. Eine solche Schneise zwischen Immenstaad und Kippenhausen, der Siedlung sowie dem Sportpark, wo Kinder und Jugendliche zum Sporttreiben hinmüssen, wäre ein absolutes Horrorszenario. Die Trasse muss möglichst weit ins Hinterland. Und dennoch wird es eine Kompromisslösung geben müssen, wenn die Straße tatsächlich realisiert werden soll.
Was wäre für Sie die Ideallösung?
Ein perfektes Verkehrs-Szenario für Immenstaad wäre für mich ein Stufenmodell. Im Ort Verkehrsberuhigung so gut es geht. Auf der B 31 alt einen funktionierenden ÖPNV und noch weiter draußen ein fließender Schwerlastverkehr, wo auch die Pendler schnell von A nach B kommen und wir in der Gemeinde nichts mehr davon spüren.