Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Sicherheitsgruppe hat Bedrohungen im Griff
Das Ravensburger Landgericht wird von einer eigenen Außenstelle besonders geschützt
RAVENSBURG (jab) - Um die Sicherheit am Ravensburger Landgericht zu erhöhen, werden seit einem Dreivierteljahr speziell ausgebildete und ausgestattete Wachtmeister eingesetzt. Sie übernehmen Einlasskontrollen, führen die Angeklagten vor und sorgen für einen reibungslosen Ablauf im Gerichtssaal. Größere Vorfälle hat es seither nicht gegeben – und dennoch ist jeder neue Tag für die Wachtmeister eine Herausforderung.
Die Ravensburger Sicherheitskräfte bilden seit vergangenem September eine Außenstelle der sogenannten „Sicherheitsgruppe für Gerichte und Staatsanwaltschaften“(SGS) in Ulm. Die Sicherheitsgruppe selbst wurde – wie sieben weitere in Baden-Württemberg – im Jahr 2014 eingerichtet. Der Grund hierfür war ein Vorfall im bayerischen Dachau. Dort hatte im Januar 2012 ein Angeklagter während eines Strafprozesses im Amtsgericht den Staatsanwalt erschossen und versucht, seine Anwältin, den Richter und den Protokollführer zu töten.
„Die Sicherheitsgruppe kann bei besonderen Anlässen vom Amtsvorstand oder dem zuständigen Richter angefordert werden“, erklärt Gerhard Schwarz. Schwarz leitet die Ulmer Sicherheitsgruppe seit Anbeginn. Im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung bittet er darum, seinen Namen und die Namen seiner Kollegen zu anonymisieren. Denn die Szene der „Reichsbürger“habe es derzeit auf die Identitäten der Wachtmeister abgesehen, erklärt er.
Wie Schwarz sagt, sei der Einsatz von Sicherheitsgruppen „sehr sinnvoll“. Die Wachtmeister führen bei Gerichtsprozessen anlassbedingte Kontrollen durch, zum Beispiel bei größeren Gerichtsprozessen mit gewissem Risikopotenzial wie Rockerprozessen. Bei diesen Durchsuchungen finden die Sicherheitsbeamten meist allerhand Gegenstände, die sie in Verwahrung nehmen und bei Gesetzesverstößen der Polizei melden: Messer, Pfefferspray, Schlagstöcke, manchmal sogar Schusswaffen.
Zudem sind die Angehörigen der Sicherheitsgruppe auch bei den Prozessen selbst präsent. Die Notwendigkeit der Sicherheitsmaßnahmen beschreibt Schwarz so: „Die Fälle sind extremer und aggressiver geworden, vielen Angeklagten und Prozessbesuchern fehlt die Achtung vor dem Gesetz und es kommt immer wieder zu Tumulten.“
Die beiden Wachtmeister der Außenstelle Ravensburg, die auch andere Sicherheitsgruppen bei Bedarf unterstützen, haben schon einiges erlebt. Sie mussten schon Angeklagte zähmen, die gegenüber ihren Verteidigern handgreiflich geworden sind oder Rasierklingen im Mund ins Gericht geschmuggelt haben, wurden bepöbelt, bespuckt und bedroht oder mussten Angriffe abwehren und wegen zu großen Aufruhrs Gerichtssäle räumen. Trotzdem macht den beiden Männern ihre Arbeit Spaß. „Unser Beruf ist abwechslungsreich, jeden Tag erleben wir etwas Neues“, meint der eine. Der andere ergänzt: „Ich bin gerne an der Front.“
Laut aktuellen Plänen des Justizministeriums soll die Ravensburger SGS-Außenstelle um eine weitere Stelle aufgestockt werden. Für Thomas Dörr, Präsident des Ravensburger Landgerichts, besteht der Zweck der Sicherheitsgruppe nicht unbedingt in der allgemeinen Sicherung der Gebäudes. Vielmehr sei der große Vorteil der eigenen Außenstelle, „dass der Zugriff auf die SGS hierdurch wesentlich erleichtert ist.“Laut Dörr greifen die Vorsitzenden der Strafkammern vermehrt auf die Sicherheitsgruppe zurück. In Zivilverfahren komme das eher selten vor, so der Gerichtspräsident.
Wie er weiter ausführt, hätten die Sicherheitskräfte auch insofern positive Auswirkungen, als sie die „normalen“Wachtmeister etwas entlasten und die Sichtkontrollen an der Pforte übernehmen. Dörr: „Selbst wenn dies keine echte Einlasskontrolle ist, hat sie doch eine psychologische Wirkung und wird von den Mitarbeitern positiv bewertet.“