Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben
Rockkonzerte und Pünktlichkeit, das war schon immer ein angespanntes Verhältnis. Eine Faustregel lautete: Je cooler die Band, desto später begann sie zu spielen. Das versammelte Publikum war um 20 Uhr an Ort und Stelle, stand sich die Beine in den Bauch und fieberte dem Konzertbeginn entgegen. Aber das war früher. Heute ist es umgekehrt.
Das zeigt ein Konzert, das die Rap-, Soul- und Jazzmusikerin Akua Naru kürzlich im Casino Kulturraum gab. Sie wäre mit ihrer Band ja durchaus um 20 Uhr auf die Bühne gekommen - aber das Publikum war noch nicht da. Gerade mal 20 Leute verloren sich im Saal, der Rest kam nach und nach. Was ist da los? Machen wir es wie die Afrikaner? Ihnen sagt man ja gerne nach, sie hätten zur Pünktlichkeit ein lässiges Verhältnis - kämen sie nicht heute, dann kämen sie morgen.
Das hat seinen Charme, aber die Verspätungen im Konzertbetrieb haben andere Gründe: Das abendliche Ausgehverhalten verlagert sich zunehmend nach hinten. Konzerte scheinen zu einem Anhängsel der Clubkultur zu werden, denn in Clubs ist es die Regel, dass um Mitternacht die ersten Gäste eintröpfeln. Auch Menschen, die sich nicht als Nachteulen begreifen, verändern ihr Ausgehverhalten und kommen abends zunehmend später aus den Startlöchern; weil zu früherer Stunde ja eh nichts los ist. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben? Umgekehrt wird ein Schuh daraus.
Wenn das so weiter geht, droht weiten Kreisen der Montags-Jetlag. Man kommt spät in die Betten, aber unter der Woche schellt der Wecker eben doch wieder um 6 Uhr. Ganz nebenbei darf man angesichts dieser Entwicklung auch den einen oder anderen Rockmusiker bedauern. Es hat ja schon etwas Entwürdigendes, durch den Bühnenvorhang zu spicken, um herauszufinden, ob das Publikum endlich eingelaufen ist. Für Konzertbesucher ist das eine unbefriedigende Situation: Wie früher hängen sie im Saal herum, halten sich am Bier fest und warten. Wie lange, das bestimmen die noch abwesenden Anderen.
Aber vielleicht lässt sich ja gegensteuern. Ich wünsche mir, dass Veranstalter sich zusammentun und eine App entwickeln, die nichts als Ankündigungen raushaut: „Achtung, in 20 Minuten beginnt das Konzert von XY in Friedrichshafen! Echt jetzt!“Wenn den Publikumsschwärmen die Intelligenz fehlt, weil keiner von den Übrigen weiß, muss eben jemand her, der das Ganze steuert. Einfacher wäre es aber, wie auf den Tickets abgedruckt, einfach wieder um 20 Uhr anzufangen. Dann hätten auch die Musiker ihre Würde zurück und dürften sich vor versammelter Menge noch ein wenig zieren. So wie früher.
Die Kulturtipps der Woche: Im Kulturhaus Caserne geht am heutigen Montag, 30. April, die „Lange Nacht der Musik“über die diversen Bühnen. Arno Geiger liest am Mittwoch, 2. Mai, um 20 Uhr im Zeppelin-Museum aus seinem Roman „Unter der Drachenwand“. Zwischen klassischem Konzert, Ausstellung und Performance bewegt sich das Projekt „VorÜber Formierungen“der ZU, in der die Geschichte des Fallenbrunnens thematisiert wird. Es findet von Freitag, 4. bis Sonntag, 6. April, jeweils um 19.30 Uhr, im Graf von Soden-Forum der ZU statt. Im Zeppelin-Museum wird am Donnerstag, 3. Mai, um 19 Uhr, die Ausstellung „Eigentum verpflichtet!“eröffnet. Bereits ausverkauft ist das Eröffnungskonzert des Bodenseefestivals am Samstag, 5. Mai, im GZH. Und schließlich feiert der Theaterclub 13+ im Kiesel die Premiere seiner neuen Produktion „Kiss“, am Sonntag, 6. Mai, um 19 Uhr.