Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zeppelin-Museum fragt nach Raubkunst
Eine neue Ausstellung stellt die Kunstsammlung des Hauses auf den Prüfstand
FRIEDRICHSHAFEN - Das ZeppelinMuseum nimmt die Herkunftsgeschichte seiner Kunstbestände unter die Lupe. Befindet sich Raubkunst aus dem Dritten Reich in der Sammlung? Untersucht wurden 400 Arbeiten vom Barock bis zur Moderne. 150 davon werden in der Ausstellung „Eigentum verpflichtet“gezeigt, die morgen eröffnet wird.
Voraussetzungen für diese groß angelegte Untersuchung sind Mut und ein Gefühl der moralischen Verantwortlichkeit. Denn spätestens seitdem 2012 die Sammlung von Cornelius Gurlitt beschlagnahmt wurde, müssen sich alle Museen der Geschichte ihrer Sammlung stellen. „Das Thema Transparenz wird nicht mehr aufzuhalten sein“, sagt Claudia Emmert, Direktorin des ZeppelinMuseums. „Wir haben alles untersucht, was in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft potenziell verschoben werden konnte“, fügt Fanny Stoye an. Als Provenienzforscherin am Zeppelin-Museum versucht sie lückenlos nachzuweisen, durch welche Hände ein Kunstwerk gegangen ist. Dabei reicht ihr kritischer Blick sogar bis ins Jahr 1990. Auch kommunistische Regime haben bis zum Zusammenbruch des Ostblocks Kunst verschoben und sich dadurch bereichert.
„Wir haben kein einziges Werk, nach dem aktiv gesucht wird“, fasst Claudia Emmert das Ergebnis der Forschungen zusammen. Allerdings gäbe es in zwei Fällen einen „erhärteten Verdacht“, so Stoye: Das Gemälde „Der Blumenstrauß“von Otto Dix gehörte bis 1928 nachweislich dem jüdischen Rechtsanwalt Max Strauss. Danach klafft in den Besitzverhältnissen eine große Lücke; das Bild galt als Kriegsverlust und wurde in den 1990ern angekauft. Strauss hatte allerdings Berufsverbot erhalten und musste schon 1933 emigrieren. Da liegt die Vermutung nahe, dass er sich von dem Dix-Gemälde nicht freiwillig trennte. Von Raubkunst kann angesichts der bestehenden Forschungslage aber bislang nicht gesprochen werden. Ebenso bei einem zweiten Kunstwerk, das sich in der Sammlung von Hermann Göring befand. Er bereicherte sich durch Enteignungen in vielen Fällen persönlich. Auch im Fall dieses Werks sind aber weitere Nachforschungen notwendig.
Bestände 1944 fast vollkommen zerstört
Wie die Expertisen schlussendlich auch ausfallen werden: Die Untersuchung des Bestands des ZeppelinMuseums als Ganzem war dringend geboten, denn es handelt sich um eine recht junge Sammlung. Die Bestände des 1927 gegründeten Städtischen Bodensee-Museums in der Karlstraße wurden 1944 fast vollständig zerstört. 1950 begann der Aufbau einer neuen Kunstsammlung, die später im Zeppelin-Museum aufging. Recht bald waren die ersten 100 Werke beisammen – denn schnell war nach 1945 auch ein Geflecht von Kunsthändlern und Kunsthistorikern am Bodensee gewachsen. Mancher, der in der NSZeit eine steile Karriere gemacht hatte, suchte hier einen Rückzugsraum.
So kam aus Berlin der Kunsthistoriker Benno Griebert an den See. Um 1950 eröffnete er in Meersburg seine erste Galerie. Über 50 Werke gelangten über ihn in den Bestand des Bodensee-Museums. „Die Angaben zur Herkunft dieser Werke sind durchgängig sehr vage oder nicht vorhanden“, heißt es im Begleittext zur neuen Ausstellung . Auch Josef Angerer ließ sich in Friedrichshafen nieder. Er hat im Auftrag Görings beschlagnahmte Kunst verkauft und dadurch Devisen beschafft. In die Ankaufspolitik des Bodensee-Museums war Bürgermeister Max Grünbeck involviert, ehemals Mitglied von NSDAP und SS. „Da es keinen Museumsleiter gab, entschied Grünbeck im Rahmen der finanziellen Mittel über sämtliche Ankäufe der musealen Sammlung“, so das Zeppelin-Museum.
„Es geht nicht um Nestbeschmutzung“, betont Claudia Emmert. Sie will Licht in den Kunsthandel der damaligen Zeit bringen. Deshalb ist die Ausstellung nach dem Erwerbszusammenhang geordnet, nicht nach Kunstepochen. Aufgefächert werden dabei die Netzwerke der Händler und Museumsleute. Es entfalten sich europäische Verbindungen, die etwa nach Holland reichen, denn auf der Rückseite eines Kunstwerks wurde ein Aufkleber der Galerie Goudstikker gefunden. Jacques Goudstikker war eine der ersten Adressen für die Kunst der Alten Meister. 1940 floh er vor den Deutschen mit seiner Familie in die USA und kam bei der Schiffsüberfahrt tragisch ums Leben: Er stürzte nachts durch eine offene Luke und brach sich das Genick. Seine Galerie wurde zu einem Schleuderpreis an einen deutschen Bankier zwangsverkauft. Erst im Jahr 2005 erhielt die Familie 200 Werke zurück. Der Verdacht, es handle sich bei der Arbeit im Zeppelin-Museum um Raubkunst, bestätigte sich nicht.
Die Ausstellung „Eigentum verpflichtet“wird am morgigen Donnerstag, 3. Mai, um 19 Uhr im Zeppelin-Museum eröffnet.