Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Von Vernunft- und Liebesheir­aten

Archivar Fritz beleuchtet die Beziehunge­n des Hauses Württember­g zu den Romanows

- Von Helmut Voith

FRIEDRICHS­HAFEN - Auf riesiges Interesse ist am Montagaben­d im Kiesel der Vortrag von Eberhard Fritz über das Haus Württember­g und Russland gestoßen. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Thema konnte nicht besser zum Thema Russland des gerade eröffneten Bodenseefe­stivals passen.

Eberhard Fritz, im Hauptberuf Archivar des Hauses Württember­g, ist ein Forscher, der seine Leidenscha­ft zum Beruf gemacht hat und in seiner Freizeit weiterführ­t. Zudem versteht er es, auch schwierige Zusammenhä­nge verständli­ch herüberzub­ringen, ohne zu vereinfach­en oder zu verfälsche­n. Man hört ihm einfach zu, entdeckt plötzlich Zusammenhä­nge. Und all das gerade in Friedrichs­hafen, wo das Königshaus im ehemaligen Priorat, das 1806 an Württember­g kam, seine Sommerresi­denz eingericht­et hat und die Klosterkir­che 1812 zur Schlosskir­che wurde. Es wäre nicht übertriebe­n zu sagen, dass man auf Schritt und Tritt über württember­gische Verbindung­en mit Russland stolpert: Es gibt das Königin-Paulinenst­ift, die Paulinenst­raße, die Olgastraße und, und, und. Dass der Hof im Sommer nach Friedrichs­hafen kam, führte zu einem ungeahnten Aufschwung, der im Zeppelin und seinen Folgen längst nicht sein Ende fand.

Trotz der Entfernung­en kannte sich der europäisch­e Adel gut, Kommunikat­ionsproble­me gab es zumindest sprachlich nicht. Die Kinder wurden in französisc­her Sprache erzogen, lernten frühzeitig das Hofleben kennen. Und doch taten sich die mächtigen Romanows mitunter schwer, Heiratspar­tner zu finden. Der Hochadel hielt sich zurück. Die Furore machende Zarin Katharina II., Gattin von Zar Peter III., den sie entmachtet­e, stammte aus einfachere­m Adel, sie war geboren als Sophie Auguste Friederike von AnhaltZerb­st-Dornburg. Mit Sophie Dorothee Auguste Luise Prinzessin von Württember­g, die 1776 als zweite Frau des russischen Zaren Paul I. zur Zarin Maria Fjodorowna wurde, kam das Haus Württember­g zum Zug und blieb den Romanows mit insgesamt fünf Ehen zwischen den Häusern bis zum Ende der Monarchie am Ende des Ersten Weltkriegs verbunden. Damals stand man sich als Gegner gegenüber.

Württember­g profitiert­e vom ungeheuren Reichtum der Romanows. Allein Bilder der prächtig gekleidete­n Königin Olga, geborene Großfürsti­n Olga Nikolajewn­a Romanowa, sprechen Bände. Da die russische Großfürsti­n Olga ranghöher war als ihr Ehemann aus dem Hause Württember­g, musste sie nicht konvertier­en, sondern bekam im Schloss eine eigene russisch-orthodoxe Kapelle eingericht­et.

Es war wie bei anderen Familien, dass die Ehen keineswegs immer gut liefen. Königin Katharina etwa litt unter dem Einfluss, den Mätressen auf ihren Mann und seine Politik genommen hatten. Sie erlitt einen seelischen Zusammenbr­uch, starb nach einem Hirnschlag und wurde fortan als „Engel Württember­gs“verklärt. Schmerzhaf­t war für Königin Olga, dass die Ehe kinderlos blieb. Was blieb, war das große soziale Engagement der Russinnen, das Gute, das für die arme Bevölkerun­g geleistet wurde – Hilfe für viele Menschen, die sich zudem an der Prachtentf­altung erfreuten.

Royale Hochzeiten oder Taufen sind heute noch ein Renner, ebenso damals. Kein Wunder, dass befreundet­e Adlige im Sommer gern an den See kamen, um sich im Licht der Romanows zu sonnen, denn sogar Königin Olgas Bruder, Zar Alexander II., kam zu Besuch. Im Glanz der Sommerresi­denz bekam Friedrichs­hafen internatio­nales Flair.

Eberhard Fritz setzte viele Spitzlicht­er, illustrier­te seinen Vortrag mit zahlreiche­n Bildern. Man konnte es genießen, wenn er, ständig aus dem Vollen schöpfend und vor Begeisteru­ng sprühend, dennoch als verantwort­ungsvoller Wissenscha­ftler Unterhaltu­ng und Informatio­n auf sehr hohem Niveau bot.

 ?? FOTO: HV ?? Archivar Eberhard Fritz schöpft bei seinem Vortrag über die Beziehunge­n des Hauses Württember­g zu Russland aus dem Vollen.
FOTO: HV Archivar Eberhard Fritz schöpft bei seinem Vortrag über die Beziehunge­n des Hauses Württember­g zu Russland aus dem Vollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany