Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Lucien Favre soll es richten

Borussia Dortmund ist auf der Suche nach einem Retter offenbar fündig geworden

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DORTMUND (dpa/SID) - Die Spekulatio­nen blühen, die Vereinsfüh­rung mauert: Borussia Dortmund kommt auch vor dem „Endspiel“um die Champions League bei 1899 Hoffenheim nicht zur Ruhe. Anhaltende Schlagzeil­en über die angeblich bevorstehe­nde Verpflicht­ung von Trainer Lucien Favre sind der Vorbereitu­ng auf die Partie am Samstag wenig zuträglich. Die Möglichkei­t, seine Mannschaft in einem kurzen Trainingsl­ager von den fast täglichen Störgeräus­chen abzuschott­en, schloss Peter Stöger aus. „Für Aktionismu­s bin ich nicht zu haben.“

Noch führt der Österreich­er auf dem BVB-Trainingsp­latz Regie. Doch bald wird er wohl gehen müssen. Im lockeren Plauderton verriet Sebastian Rode am Sonntag bei Sky ein seit Wochen offenes Geheimnis. „So, wie er sich auch ausdrückt in der Kabine, gehen wir davon aus, dass wir nächste Saison einen neuen Mann haben werden“, sagte er mit Verweis auf die Zukunft von Stöger. Damit zog sich der seit Monaten verletzte Mittelfeld­spieler den Unmut von Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke zu, der umgehend eine Strafe ankündigte.

Diese prompte, harte und für viele auch unverständ­liche Reaktion beweist, wie sensibel die Vereinsfüh­rung mittlerwei­le auf das leidige Trainerthe­ma reagiert. Laut französisc­hen Medienberi­chten macht Favre seine Zusage angeblich von einer Champions-League-Qualifikat­ion der Borussia abhängig. Verspielt der Tabellendr­itte beim Saisonfina­le in Sinsheim seinen Drei-Punkte-Vorsprung auf die Verfolger Leverkusen und Hoffenheim und die bessere Tordiffere­nz, könnte das nicht nur finanziell, sondern auch bei der Trainersuc­he neue Probleme bereiten. Eine Dortmunder Niederlage in Hoffenheim mit zwei Toren Differenz und ein Leverkusen­er 5:0-Kantersieg gegen Hannover, und der BVB wäre Fünfter.

Wahrschein­licher ist jedoch, dass sich der BVB und Favre längst einig sind. So werden in der französisc­hen Zeitung „Nice Matin“bereits die Nachfolger für den beim OGC Nizza wohl scheidende­n 60 Jahre alten Trainer gehandelt, an dem der BVB bereits im Sommer 2017 Interesse gehabt hatte, von Nizza aber einen Korb bekam. Pikanterwe­ise gehört der in Dortmund gescheiter­te Peter Bosz neben dem einstigen FC Sevilla-Coach Eduardo Berizzo zum engeren Kandidaten-Kreis.

Die jüngsten, noch unbestätig­ten Meldungen von einem Wechsel des Augsburger­s Marwin Hitz und Stephan Lichtstein­er von Juventus Turin zum BVB gelten als weiteres Indiz für eine Zusage von Favre. Der 30 Jahre alte Schlussman­n und der 34 Jahre alte Rechtsvert­eidiger, die beide ablösefrei sind, sind Schweizer – wie Favre. Zählt man die bereits unter Vertrag stehenden Roman Bürki – der übrigens die Nr. 1 vor Landsmann Hitz bleiben soll – und Verteidige­r Manuel Akanji dazu, könnten bald fünf Eidgenosse­n zur Borussia gehören.

Nicht nur bei der Auswahl des neuen Trainers, sondern auch beim nötigen Umbau des Kaders setzt der BVB offenbar auf Erfahrung und Führungsst­ärke. Die leidigen Erfahrunge­n in dieser Saison lehrten, dass es der mit zahlreiche­n Talenten bestückten Mannschaft genau daran mangelt. Da passt ein gestandene­r Spieler wie Rechtsvert­eidiger Lichtstein­er gut ins Anforderun­gsprofil. Er gewann als unumstritt­ener Stammspiel­er von Juve sechs italienisc­he Meistersch­aften und bestritt 94 Länderspie­le.

Sensibler Erfolgstra­iner

Favre wiederum hat laut Rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus einen weiteren Vorteil: „Er hat ein fantastisc­hes Verhältnis zum besten BVB-Spieler Marco Reus. Er hat ihn in Gladbach erst richtig groß gemacht. Beide schätzen und respektier­en sich total.“Auch Mahmoud Dahoud hatte Favre in Gladbach unter seinen Fittichen. Allerdings ist er kein pflegeleic­hter Typ, eher ein sensibler Taktikfuch­s, der durchaus auch Stolz und Ego hat. So lud er Anfang Oktober 2009 nach seiner Beurlaubun­g durch die Hertha im Berliner Nobelhotel Adlon zur privaten Pressekonf­erenz und warf der Führung um Präsident Werner Gegenbauer verfehlte Personalpo­litik vor. Es folgte die fristlose Entlassung und ein Streit um die Abfindung. Im September 2015 bot Favre Gladbach nach fünf Auftaktnie­derlagen in der Bundesliga seinen Rücktritt an. Dieser wurde abgelehnt, doch Favre ging trotzdem.

Allerdings hatte er stets großen Erfolg bei seinen Vereinen – die Hertha führte Favre ebenso aus grausten Zonen in die Champions League wie Gladbach, und auch in Nizza hatte er ein herausrage­ndes Jahr. Dort bewies er außerdem, dass er auch mit schwierige­n Charaktere­n zusammenar­beiten kann, etwa Italiens Exzentrike­r Mario Balotelli. Womöglich ist Favre der passende Mann für ein BVB-Team, für dessen Leistung Sportdirek­tor Michael Zorc beim 1:2 gegen Mainz nur ein Wort fand: „Beschämend.“

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FOTO: DPA Ging in Berlin, Gladbach und Nizza durchs Fußball-Stahlbad: Lucien Favre.

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