Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kunstwelten im realen Raum
Fryderyk Heinzel verschränkt im „ProjekTraum FN“Fotografie und Malerei
FRIEDRICHSHAFEN - Jakob Bräckle. Das ist der Name, der einem bei der Ausstellung von Fryderyk Heinzel im „ProjekTraum“in den Sinn kommt. Wie bei dem 1897 bei Biberach geborenen Bräckle weiß man bei Heinzels Malerei nie, ob es sich um die Darstellung einer stilisierten Landschaft handelt oder um konkrete Malerei, in der die Farbe nur sich selbst darstellt. Der Grund: Bräckle malte die Wiesen, Felder seiner bäuerlich geprägten Heimat und kam so zu einer „Farbfeldmalerei“im doppelten Sinne. Bei Heinzel wiederum, 1967 in Polen geboren und heute in Überlingen zu Hause, sind die Flächen ähnlich miteinander verbunden. Und doch macht er es anders als Bräckle – und zwar mit einigem Witz. Da ist zum Beispiel dieses Acrylbild: Eine pastos gemalte Wasserfläche trifft auf einen braunen Steifen; wahrscheinlich Strand. Aber Heinzel hat Wasser und Strand miteinander verzahnt wie ein Schreiner zwei Bretter: mit einer (gemalten) Schwalbenschwanzverbindung. Stößt uns der Künstler mit der Nase darauf, dass sein Bild ein Artefakt ist? Dass es keine reale Landschaft gibt, die er vorfindet, sondern dass er selbst sie konstruiert und zusammensetzt?
Landschaft wird gegenstandslos
Nein, so einfach macht es Heinzel, der an der Akademie der Schönen Künste in Krakau Malerei studierte, dem Betrachter nicht. Denn da sind ja auch noch seine Fotografien. Sie weisen zum Teil beträchtliche Ähnlichkeiten mit seiner Malerei auf, allein schon in der Palette der Farbtöne.
Felicia Glidden, die den Künstler in den von ihr und Alain Wozniak betriebenen „ProjekTraum“eingeladen hat, weist auf eine Fotografie, die eine Parkbank vor der Kulisse eines Sees zeigt. In horizontaler Staffelung sind da ein Grünstreifen, die Pflasterung, azurfarbenes Wasser, in der Ferne die dunstblaue Landschaft und ein grau verschleierter Himmel zu sehen. Glidden weist auf ein anderes Bild daneben: Fünf wie mit dem Lineal gezogene Streifen nehmen die Farbigkeit und die Proportionen der Parkbank-Szererie perfekt auf. Aber es ist sind bloße Farbstreifen ohne jeden Gegenstand.
Es gibt noch andere Rückkopplungen zwischen den beiden Teilen der Ausstellung. Man erfasst sie nicht gleich, aber sie liegen in der Luft– als Farbstimmung nämlich. Gegenüber seiner Fotografien von Hügeln, verschneiter Weite oder Seen hängt ein Bild, das die Farbtönungen dieser Landschaftsfotos in 15 säuberlich gemalten Rechtecken versammelt. Hier inspiriert nicht einfach die Fotografie und Malerei, sondern sie bedingen einander. Die „absulute“Malerei kann nicht ohne die abbildende Fotografie gedacht werden. Die Trennung der beiden Bereiche, die ja ein Gegensatz ist, löst sich auf. Das wird deutlich, weil Heinzel das Spiel weiter treibt – indem er seine Fotografien verfremdet. Er setzt in die abbildende Fotografie Kreise, Dreiecke oder Vierecke, die gegenstandslose Formen bleiben.
Aber bleiben sie wirklich gegenstandslos? Eine blaue Fläche spannt sich zwischen den beiden Pfosten einer Mole auf. Eine schattenartiger Fleck liegt auf einer Schneefläche, zur Ellipse zusammengezogen und damit zum Blickwinkel des Betrachters auf die Landschaft passend. Jedes dieser eingebrachten Elemente baut eine Beziehung zur abgebildeten Szenerie auf. Sie bleiben der Fotografie nicht fremd, sondern erweitern sie.
Die Grenzen zwischen absoluter Malerei und Gegenständlichkeit verschwimmen zusehends – bisweilen bis zur Unkenntlichkeit, wenn das per Photoshop zugesetzte Farbmuster die Konturen eines fotografierten Bildelements nachvollzieht, etwa eines Flusslaufs oder eines Absperrzauns. Das wirft Fragen auf: Wann ist eine Form gegenständlich, wann gegenstandslos? Das bestimmt letztlich der Zusammenhang, in dem sie eingesetzt ist. Nach dem Besuch dieser Ausstellung sieht man die Welt vor der Galerie wenigstens für kurze Zeit mit anderen Augen. Es lohnt, sie gesehen zu haben.
Die Ausstellung „Beyond the Landscape – Landschaftsauflösung“von Fryderyk Heinzel ist bis 29. Mai im „ProjekTraum FN“(Dornierstraße 4) zu sehen. Geöffnet ist sie jeweils Freitag bis Sonntag von 13 bis 17 Uhr.