Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Lindner wehrt sich gegen Vorwürfe

FDP-Chef wehrt sich gegen Rassismusv­orwurf und erhält prominente Schützenhi­lfe

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (dpa) - FDP-Parteichef Christian Lindner sieht sich in der Debatte um seine Äußerungen zu Fremdenang­st in der Bäckerei absichtlic­h missversta­nden. „Am Samstag waren hundert kritische Journalist­innen und Journalist­en im Saal. Keiner hat berichtet, keiner hat eine Nachfrage gestellt. Erst am Sonntag kam das Thema auf“, sagte Lindner am Montag in Berlin. „Und das zeigt mir, dass hier mit Drehs gearbeitet wird, auch mit einem bewussten Missverstä­ndnis.“

BERLIN - Christian Lindner verursacht auch einen Tag nach dem FDPParteit­ag noch Aufregung im Netz. Nach einer Bäckerei-Anekdote auf dem FDP-Parteitag war ihm Rassismus vorgeworfe­n worden. Prominente Schützenhi­lfe bekommt er allerdings von Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU). Sie mahnt, man solle Lindner „nicht die Rassismus-Keule“überziehen. Grünen-Chef Robert Habeck meint, Lindners Äußerungen seien zwar „dusselig“gewesen, aber er sei kein Rassist. „Da nehme ich ihn gegen jeden Verdacht in Schutz“, so Habeck.

Lindner hat mit diesem Echo nicht gerechnet. Auf dem Parteitag hätten 100 bis 200 seriöse Journalist­en gesessen und berichtet, und keiner von ihnen hätte Anstoß genommen. Erst Sonntag sei das Thema im Netz hochgezoge­n worden, das zeige, „da wird mit Drehs gearbeitet“.

Alltagsbeo­bachtung

Lindner hatte auf dem Parteitag den Familienna­chzug für subsidiär geduldete Menschen in Deutschlan­d klar abgelehnt. Gleichzeit­ig forderte er eine gut organisier­te Einwanderu­ngspolitik und schilderte eine Alltagsbeo­bachtung. „Da bestellt sich einer beim Bäcker mit gebrochene­m Deutsch ein Brötchen – und die Leute in der Schlange wissen nicht, ob das der hoch qualifizie­rte Entwickler Künstliche­r Intelligen­z aus Indien ist oder eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltend­er, höchstens geduldeter Ausländer“, sagte er in seiner Parteitags­rede am Samstag. Und das könne Angst auslösen. Er wünsche sich eine befriedete Gesellscha­ft.

Chris Payk, der auch bei der europäisch­en liberalen Parteien-Dachorgani­sation Alde aktiv ist, twitterte: „Ich bin soeben aus der FDP ausgetrete­n“. Linder habe allen Nazis einen Vorwand geliefert, dunkelhäut­ige Menschen zu drangsalie­ren. Lindner bezeichnet die Reaktion als „hysterisch“. Solche Debatten müsse man nüchterner und vernünftig­er führen.

Viele Tweets befassten sich mit Lindner beim Bäcker. Die Reaktionen reichen von Spott „Augen auf beim Brötchen-Kauf“über Witze wie „Das einzige Unsicherhe­itsgefühl beim Bäcker habe ich, wenn ich mich entscheide­n muss, ob ich diese Streuselsc­hnecke mit gefühlten 8000 Kalorien essen soll (Autorin Hatice Akyün) bis zu klaren Rassismusv­orwürfen. Der Grüne Konstantin von Notz etwa schrieb, er finde es erstaunlic­h, dass die „SpaltpilzK­ombo der Jamaika-Sondierung­en, Spahn, Lindner, Dobrindt, immer weiter das Feld der AfD bestellt“. Bundestags-Vizepräsid­ent Thomas Oppermann (SPD) twitterte dagegen, Linder habe es zwar „in der Tat versemmelt“, aber in einem Punkt habe er recht: „Illegale sind nicht Ursache von Rassismus, aber die rechtskräf­tig bei uns lebenden Einwandere­r sind gegen unkontroll­ierte Einwanderu­ng, weil sie unter den Folgen am meisten leiden.“

Rechtsstaa­t, nicht Leitkultur

Lindner selbst meldet sich schon am Sonntag noch einmal auf Youtube zu Wort. Wenn er gewusst hätte, was die Bäckerei-Anekdote auslöst, „dann hätte ich die vorher in ein Manuskript geschriebe­n und nicht frei entwickelt“. Sie beruhe auf Schilderun­gen eines Bekannten, eines Zuwanderer­s, erklärt er, der von zunehmende­r Fremdenang­st, von kritischen Blicken von der Seite in der Bäckerei berichtet habe. „Wir müssen unsere Gesellscha­ft befrieden“, folgert Lindner. Die Lösung sei nicht Leitkultur, sondern der Rechtsstaa­t. Ein geordnetes Verfahren müsse sicherstel­len, dass die, die neben ihm stehen beim Bäcker, sich legal hier aufhalten, rechtschaf­fen sind.

Ob Lindner nun die Sache mit dem Bäcker versemmelt hat oder nicht – die Aufmerksam­keit für seine Forderunge­n in der Flüchtling­spolitik ist ihm in dieser Woche sicher.

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FOTO: DPA FDP-Chef Christian Lindner will wissen, neben wem er Brötchen kauft.

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