Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kleider machen Leute?
Bei der Bewältigung des Alltags bedienen wir uns gern altbekannter Weisheiten – und sind einigermaßen irritiert, dass eine offenbar gänzlich ausgedient hat: Kleider machen Leute. In unserer Kindheit gab es im Fernsehen noch ganz famose alte Spielfilme zu sehen, die diese und andere Sprichworte aufs Trefflichste zu unterstreichen wussten. Zum Beispiel den „Hauptmann von Köpenick“nach dem gleichnamigen Theaterstück von Carl Zuckmayer. Der unvergessene Heinz Rühmann glänzte als Kleinkrimineller Wilhelm Voigt, der sich zu Zeiten des Kaiserreichs mittels einer gebrauchten Uniform für kurze Zeit aus seinem ärmlichen Dasein verabschiedet.
Heutzutage haben solche Konventionen ausgedient, mit Uniform oder Anzug und Krawatte kann man die Kinder der IT-Gesellschaft, die Digital Natives, nicht mehr bluffen. Beim europäischen Song Contest in Lissabon am Wochenende stach zum Beispiel ein in einen simplen schwarzen Pulli gekleideter deutscher Durchschnittstyp eine attraktive estnische Operndiva aus, die ihr Zirkuszelt von einem Kleid mit den tollsten optischen Effekten aufhübschen ließ.
Auch in der Fußball-Bundesliga ist Understatement Trumpf. Der VfB Stuttgart, nach dem 4:1 bei den großen Bayern so etwas wie die Mannschaft der Stunde, wechselt den Ausrüster. Statt der angesagten Kultmarke Puma trägt Schwabens Fußballstolz bald Jako, im Internet unter „Onlineshop für günstige Sportkleidung“zu finden. Der erstmals abgestiegene HSV spielt übrigens in Adidas. So kann man sich täuschen. (hü)