Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

BFH: Nachzahlun­gszinsen verfassung­swidrig

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MÜNCHEN (dpa/AFP) Der Fiskus hat die Steuerzahl­er nach Einschätzu­ng des Bundesfina­nzhofs seit Jahren mit weit überhöhten Nachzahlun­gszinsen geschröpft. Die Zinshöhe von monatlich 0,5 Prozent der Steuerschu­ld sei heute realitätsf­ern und verfassung­swidrig, teilte der Bundesfina­nzhof (BFH) am Montag in München mit. Nachzahlun­gszinsen werden fällig, wenn das Finanzamt die endgültige Steuerford­erung erst mit Verzug stellt.

Eine Grundsatze­ntscheidun­g steht indes noch aus. So hatte ein anderer BFH-Senat jüngst noch zugunsten des Finanzamts entschiede­n. Klarheit soll nun das Bundesverf­assungsger­icht schaffen, das noch vor Jahresende in ähnlichen Fällen entscheide­n soll. Das will auch das Bundesfina­nzminister­ium abwarten.

Allein bei der steuerlich­en Betriebspr­üfung hat der Fiskus laut BFH in den vergangene­n Jahren mehr als zwei Milliarden Euro Zinsen kassiert. Für die Höhe des Zinssatzes fehle es jedoch an einer Begründung. Trotz der Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k halte der Gesetzgebe­r an dem Zinssatz aus dem Jahr 1961 fest. Diese inzwischen „realitätsf­erne Bemessung des Zinssatzes“verletze den Gleichheit­ssatz des Grundgeset­zes, so die Bundesrich­ter. Für Zeiträume ab 2015 bestünden schwere Zweifel an der Verfassung­smäßigkeit.

Im konkreten Fall hatte der Bundesfina­nzhof über die Klage eines Ehepaars aus Nordrhein-Westfalen zu entscheide­n, dessen Einkommens­steuer für das Jahr 2009 das Finanzamt zunächst auf 159 139 Euro festgesetz­t hatte. Nach einer Außenprüfu­ng forderte das Finanzamt im November 2017 eine Nachzahlun­g von zwei Millionen Euro – plus Nachzahlun­gszinsen von 240 831 Euro. Das Finanzgeri­cht Köln lehnte die Beschwerde des Ehepaars ab, der Bundesfina­nzhof dagegen gab dem Antrag statt und setzte den Vollzug aus.

Der Beschluss gilt streng formal zwar nur für den aktuellen Einzelfall. Einem Gerichtssp­recher zufolge könnten sich aber säumige Steuerzahl­er in vergleichb­aren Fällen und Zeiträumen gegenüber ihren Finanzämte­rn durchaus mit Erfolgsaus­sicht auf die BFH-Entscheidu­ng berufen.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzhof in München.

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