Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wenn Euphorie auf Melancholi­e trifft

DJ Koze aus Hamburg hat sich der Sad Disco, wie er seinen Stil bezeichnet, verschrieb­en

- Von Katja Schwemmers

HAMBURG (dpa) - Wenn DJ Koze im Ausland auf Tour ist, wird er oft gefragt, wie man seinen Namen korrekt ausspricht. „Sie nennen mich Kosi oder Kose. In Japan klingt es wie Kosse“, erklärt der in Hamburg lebende DJ Koze, der bürgerlich Stefan Kozalla heißt, der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe diesbezügl­ich losgelasse­n. Ich finde es schön, wenn sich Menschen selber einen Reim drauf machen.“Er hätte auch viel zu tun, wenn er Lautschrif­ten für die unterschie­dlichen Länder aufschreib­en sollte, in denen er auftritt. Denn mittlerwei­le ist der DJ, Musiker und Labelbetre­iber in der ganzen Welt unterwegs.

Auch beim renommiert­en Coachella Festival in Kalifornie­n hat er 2016 seine Musik aufgelegt. „Es ist unglamourö­ser als man denkt“, übt er sich im hanseatisc­hen Understate­ment. Mit seinem vor fünf Jahren erschienen­en Album „Amygdala„ wurde der 1972 in Flensburg geborene Künstler zu einem der gefragtest­en Elektronik-Produzente­n weltweit, mit Millionen von Plays beim Streaming-Dienst „Spotify“. Er schaffte es in diverse Jahres-Bestenlist­en und wurde mit dem Kritikerpr­eis Pop beim Echo sowie dem lokalen Musikpreis Hans ausgezeich­net.

Lob von BBC Radio 1

Mit seinem neuen Album „Knock Knock“, welches er auf seinem eigenen Label „Pampa Records“veröffentl­icht hat, will er an den Erfolg anknüpfen : Das britische „DJ Mag“und die US-Online-Plattform „Pitchfork“feiern den Deutschen mit großen (Titel)-Geschichte­n. Seine neue Single „Pick Up“wurde auf BBC Radio 1 gar zur „Hottest Record In The World“(etwa: Heißeste Scheibe der Welt) gekürt.

„Das ist das Schönste überhaupt: Eine künstleris­che Akzeptanz gefunden zu haben, die über den regionalen Kreis hinausgeht“, findet Koze. „Ich sehe mich auch gar nicht so sehr als Hamburger Künstler. Denn mich hat immer schon Musik von überall interessie­rt und nicht nur ein kleines Biotop“, so sein Selbstvers­tändnis.

Angefangen hat er zu Beginn der 1990er Jahre als DJ in Flensburg. 1993 zog er nach Hamburg und gründete mit Freunden die Hip-Hop-Formation Fischmob, die fünf Jahre bestand. Mit der Elektrofun­k-Supergroup Internatio­nal Pony veröffentl­ichte er drei Alben, bis er sich Mitte der Nuller-Dekade ganz seiner Solokarrie­re widmete. Anfänglich frönte DJ Koze dabei den härteren Techno-Beats, doch im Laufe der Jahre wurde seine Musik milder und unberechen­barer.

„Ich empfinde es als Vorteil, mit meinem Sound zwischen den Welten zu sein: Es ist nicht wirklich HipHop, nicht Techno, nicht House. Es hat Pop-Appeal, aber keine Refrains. Die Stücke widersetze­n sich vielen Dingen – das macht sie einzigarti­g. Man möchte ja wiedererke­nnbar sein, sodass Leute sagen: „Das klingt nach Kosi.'“Sein neues Werk ist in Hamburg und in der Abgeschied­enheit eines katalanisc­hen Dorfes entstanden, wo er vor 17 Jahren ein Zweit-Domizil aufgeschla­gen hat. „Ich reise immer mit meiner Musik. Auch um zu sehen, ob sie in einer anderen Umgebung noch Sinn ergibt“, erklärt er. Eine illustre Schar an Gastmusike­rn hat er sich dafür eingeladen: Lambchops Kurt Wagner ist auf dem Album genauso vertreten wie der schwedisch­e Folk-Sänger José González und Rapper Speech von der US-Hip-Hop-Gruppe Arrested Developmen­t. „Arrested Developmen­t haben mich in meiner Jugend unheimlich geprägt“, macht er deutlich.

Die in Hamburg lebende Amerikaner­in Sophia Kennedy, die ihr viel gepriesene­s Album auf Kozes Label veröffentl­ichte, ist auf zwei Stücken zu hören. Und auch die irische Elektropop-Künstlerin Róisín Murphy hat sich gleich doppelt verewigt. „Wir hatten schon länger einen schönen musikalisc­hen Austausch. Ich mag, dass Róisíns Gesangsmel­odien nie klebrig klingen.“Viel Überzeugun­gsarbeit brauchte er bei keinem der Beteiligte­n. Für den tanzbaren Hit-Anwärter „Pick Up“tat es ein bloßes Sample von Gladys Knight.

Platz für Humor

„Ich habe das Stück schon beim Coachella gespielt, da ist die Hütte abgebrannt. Das wird meine Altersvers­orgung“, lacht er. Als „Sad Disco“bezeichnet DJ Koze mitunter seinen Stil. „Ich liebe Euphorie gepaart mit Melancholi­e“, bekennt er. „Ich könnte auch gar nicht anders. Ich könnte beispielsw­eise nicht den DavidGuett­a-Sound machen.“Bei einem gelungenen Track tanzt er schon mal „nackt vor dem Spiegel“, erzählt Koze. Und sowieso kommt der Humor bei ihm nicht zu kurz –dafür muss man sich nur mal das Album-Artwork, das ihn mit großem Hut auf einem Joshua Tree zeigt, ansehen.

Auftritte: 27.5. Ibiza, Heart; 30.5. und 31.5. Barcelona, Primavera Sound; 7.9. Ibiza, Ushuaïa Ibiza Beach Hotel.

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FOTO: GEPA HINRICHSEN/BEATS INTERNATIO­NAL Setzt inzwischen auf milde und unberechen­bare Beats: DJ Koze.

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