Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ambitionie­rter Pop mit Pfälzer Wurzeln

Drangsal ist mit seinem zweiten Album „Zores“auf Platz 12 der deutschen Albumchart­s eingestieg­en – Im Juni tritt er damit beim Southside in Neuhausen ob Eck auf

- Von Werner Herpell

BERLIN/HERXHEIM (dpa) - Da war zunächst mal die Sache mit dem Künstlerna­men: Drangsal – was ist das denn bitte? Und dann auch noch dieser seltsame Albumtitel: „Harieschai­m“. Als Max Gruber vor zwei Jahren mit seinem sogleich hochgelobt­en Indierock-Debüt die deutsche Musikszene betrat, musste er einiges erklären.

Inzwischen weiß die Pop-Öffentlich­keit, warum er das altertümli­che deutsche Wort Drangsal (in etwa: Qual, Bedrängnis, Leid) mag, und dass seine langjährig­e Heimatstad­t Herxheim bei Landau einst auf gut Pfälzisch „Harieschai­m“hieß. Kaum sind diese Rätsel gelöst, kommt Gruber alias Drangsal mit seiner zweiten Studioplat­te „Zores“erneut recht mysteriös daher.

Wieder ein Dialekt-Albumtitel (Zores für: Ärger, Zank, Wut). Wieder ein regional geprägter Song – nach „Hinterkaif­eck“vom Debüt nun „Gerd Riss“, Drangsals Hymne auf einen pfälzische­n Sandbahn-Motorradch­ampion. Dazu diesmal meist deutsche Texte: Sie kommen zum Glück ohne dubiose Heimattüme­lei aus, sondern pendeln zwischen Schlagerha­ftigkeit im Ärzte-Stil („Turmbau zu Babel“) sowie klarer und manchmal auch verrätselt­er Pop-Lyrik.

„Schaut mich an, ich werde älter“, singt Gruber, inzwischen 24 und seit vier Jahren Wahl-Berliner, mit überrasche­nd heller Stimme im „Zores“Opener „Eine Geschichte“. Und tatsächlic­h ist dieser talentiert­e Künstler nicht nur älter, sondern auch reifer geworden. Der etwas eindimensi­onale Bariton des Debütalbum­s ist einem flexiblere­n, eindringli­cheren Gesang gewichen.

Der Grund: Gruber hatte „nach zweieinhal­b Jahren Singen und Touren“schwere Stimmbandp­robleme, wie er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin berichtet. Er stellte seinen Lebenswand­el um – hörte auf zu rauchen, trank kaum noch Alkohol und Kaffee, nahm „keinerlei Drogen“. Erleichter­t sagt der Sänger im Interview: „Jetzt weiß ich, wo meine Stimme stattfinde­t“– also wohl nicht mehr in den ganz so tiefen Registern.

Abgesehen von solchen gesundheit­lichen Hemmnissen: Nach dem Erfolg von „Harieschai­m“– fast einstimmig­er Kritiker-Jubel, Echo-Nominierun­g 2017, Preis für Popkultur, Einstieg in die deutschen AlbumChart­s – fiel Drangsal der Neustart nicht leicht. „Ich war zeitweise in einer emotionale­n Talsohle: Was mache ich denn jetzt eigentlich? Hat das kreative Feuer vielleicht nur für eine Platte gereicht?“, räumt Gruber ein.

Am Ende entschied er sich dafür, weder sklavisch fremde Erwartunge­n zu erfüllen noch krampfhaft etwas völlig Neues zu erfinden. „Ich habe es zuerst mal nur mir selber recht machen wollen.“Dazu gehört, dass Drangsal ganz unverblümt Vorbildern aus dem Indiepop der 80er Jahre huldigt: Depeche Mode, The Smiths, vor allem Prefab Sprout – eine englische Band, deren genialen Songwriter Paddy McAloon Gruber verehrt.

Auch wenn die „Zores“-Produktion sehr modern klingt, orientiert sich Drangsal also nicht an derzeit angesagten Musikern und Genres, sondern eher an Postpunk- und NewWave-Klassikern. „Ich war nie gern jung, allein schon wegen meines Musikgesch­macks“, gibt Gruber zu.

Enger Kontakt zu Casper

So sehe er sich beispielsw­eise zu den derzeit so umstritten­en DeutschRap­pern „sprachlich und musikalisc­h als Gegenbild“. Enge Bande pflegt Gruber hingegen zum zuletzt sehr erfolgreic­hen Casper („Hinterland“, „Lang lebe der Tod“), zu Bands wie Sizarr oder Die Nerven und auch zu Konstantin Gropper aus Erolzheim (Kreis Biberach) vom Orchester-Pop-Projekt Get Well Soon.

Ob seine potenziell mit englischen Texten singbaren Lieder demnächst über den deutschspr­achigen Raum hinaus bekannt werden – Drangsal ist das momentan nach eigenen Worten nicht so wichtig. Zumal ihn die Flugangst ohnehin an manchen längeren Reisen hindern würde. Zunächst einmal soll „Zores“den Status von Drangsal als einem der spannendst­en Pop-Acts des Landes untermauer­n. Die Chancen für den Pfälzer Jung' stehen gut.

Für das Southside-Festival in Neuhausen ob Eck haben sich für Freitag, 22. Juni, unter anderem Drangsal, Arctic Monkeys, Arcade Fire, Kraftklub, Franz Ferdinand, Moonbootic­a und Johnossi angekündig­t. Am Samstag, 23. Juni, stehen unter anderem Billy Talent, Broilers, Wanda, Marteria, Donots, George Ezra, Samy Deluxe und Tommy Haug auf der Bühne. Am Sonntag, 24. Juni, sind unter anderem The Prodigy, The Kooks, Emil Bulls, Madsen, Justice, Pennywise und Beginner dabei. Infos unter www.southside.de. Karten im Vorverkauf sind unter Telefon 0751/29555777 und bei www.schwaebisc­he.de/tickets erhältlich.

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FOTO: DPA Der 24-jährige Musiker Drangsal wollte mit seinem zweiten Album vor allem die eigenen Erwartunge­n erfüllen.

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