Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Alles außer Bananen und Ananas
Ein abendlicher Spaziergang mit Alfons Schnell über den Bauernpfad zeigt die Vielfalt der heimischen Landwirtschaft
KRESSBRONN - Eine Wonne ist es, Alfons Schnell zuzuhören, wenn er als Führer auf dem „Bauernpfad“in Kressbronn-Berg mit berechtigtem Stolz von der heimischen Landwirtschaft erzählt: „In unserer Gemeinde wächst alles, außer Bananen und Ananas.“
Alle zwei Wochen geht der passionierte Bauer donnerstags mit Touristen auf den rund zweieinhalb Kilometer langen, bequemen Rundgang oberhalb Kressbronns, der an Hopfen, Obstbäumen, Reben und Beerenstauden vorbeiführt, einen kleinen Einblick in die Viehwirtschaft erlaubt und nebenbei ein herrliches Panorama über den See und die Berge bietet. Meistens seien es zwischen 15 und 20 Gäste. Wenn ein Betriebsausflug oder ein Bus komme, könnten es auch mal 50 sein. Beim ersten Spaziergang dieser Saison – wegen des Feiertags ausnahmsweise am Freitag – blieb der Startpunkt unterhalb der Gasthof-Brauerei „Max und Moritz“allerdings leer und die Schwäbische Zeitung kam bei strahlender Sonne in den Genuss einer „Privataudienz“, bei der Alfons Schnell aus unerschöpflicher Quelle sprudelte.
Wie es zur Einrichtung des Bauernpfads kam? Vor über 20 Jahren sei an gleicher Stelle im Zuge der Flurbereinigung ein Weinlehrpfad ins Leben gerufen worden. Als dessen Beschilderung in die Jahre gekommen war, habe Bürgermeister Edwin Weiß einen Bauernpfad angeregt. Eingerichtet und im Juni 2007 eingeweiht wurde er auf dem bestehenden Obst- und Weinlehrpfad.
In kurzen Abständen gibt es ausführliche Infotafeln zu Hopfen-, Wein- und Obstanbau samt Standortfaktoren und Vermarktung. Zudem sind besondere Attraktionen eingerichtet worden: ein uriger Kletterturm und eine Rutsche, die gleich beim „Naschgarten“mit alten Apfelsorten und Neuzüchtungen sowie Kirschen, Zwetschgen und Beeren landet. Er werde sehr gern angenommen – allerdings bleibt es zur jetzigen Jahreszeit noch beim Schauen. Gleich am Eingang zeigt Schnell auf den sieben Meter hohen Pfosten, der die Höhe eines Hopfengartens anzeige, der vom Breitengrad und damit vom Einfallwinkel der Sonne abhänge: In Großbritannien seien sie eineinhalb bis zwei Meter niedriger. Bis zu 35 Zentimeter am Tag schaffe diese am schnellsten wachsende Pflanze am See.
Wein vom Bodensee ist wieder stark gefragt
Etwa 65 Hektar Hopfen werden im Gemeindegebiet angebaut. Freudig blickt der Bauer auf die Birnen- und Kirschbäume, die eine reiche Ernte erwarten lassen – man müsse sogar ausdünnen, damit jede Frucht ihren Platz und genügend Sonne habe. Wir gehen weiter zu den Reben: Kressbronn sei die einzige württembergische Gemeinde am Bodenseeufer, in der Wein angebaut werde.
Ein kleiner Blick in die Geschichte: Bis zu 2000 Hektar Weinanbau habe es im 18. Jahrhundert auf der Gemarkung gegeben. Die erste Pressung bekamen Geistlichkeit und Obrigkeit, die zweite lieferte den Haustrunk, die dritte mit einem Restalkohol von nur ein bis zwei Prozent nahm man als Durstlöscher mit aufs Feld. Hier kann sich Alfons Schnell einen Witz nicht verkneifen: Einen Bauern, dem der Kressbronner Wein nach einem Räuschle ein Loch in den Magen gefressen hatte, hat man eilig nach Nonnenhorn gebracht und den dortigen Wein trinken lassen – der hat das Loch wieder zugezogen.
Wichtiger ist natürlich, wie man der aus Amerika eingeschleppten Reblaus Herr wurde, die den Weinbau in ganz Europa zum Erliegen brachte: Heute werde die europäische Rebe auf die amerikanische gepfropft. Seewein sei wieder stark gefragt und mit dem sauren Getränk von dazumal nicht mehr zu vergleichen.
Im Weitergehen weiß Bauer Schnell ernsthaft die Hagelschutznetze zu verteidigen, die wegen ihrer begrenzten Lebensdauer zwar eine große finanzielle Herausforderung darstellen, aber doch als Einzige den nötigen Schutz bei Unwetter bieten. Eine Hagelversicherung könne zwar den finanziellen Verlust ausgleichen, aber die Abnehmer, denen man nicht vertragsgemäß liefern könne, würden fürs nächste Jahr einen anderen Anbieter suchen. Noch vieles weiß Alfons Schnell zu erzählen – man muss ihn selbst erleben.
Der Spaziergang mit dem Bauern findet zweiwöchentlich am Donnerstag statt. Treffpunkt ist am Wanderparkplatz direkt am Bauernpfad, Beginn ist um 18 Uhr.