Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Berufsfischer wollen gegen Freistaat klagen
Vier der zwölf Berufsfischer vom bayerischen Bodensee sollen ihre Patente verlieren
WASSERBURG (dik/jest) - Wenn der Freistaat Bayern tatsächlich vier Berufsfischern vom bayerischen Bodensee ihre Patente wegnehmen will, dann wollen die Fischer dagegen klagen. Das kündigte Roland Stohr an. Der Vorsitzende der Genossenschaft der bayerischen Bodenseeberufsfischer sieht in dem Vorhaben eine Katastrophe. Er fordert längere Übergangsfristen.
„Ich werde auf keinen Fall entscheiden, wer von meinen Mitgliedern das Patent entzogen bekommt“, sagt Stohr. Aber genau das wolle das Landwirtschaftsministerium von ihm. „Welche Fischerfamilien vom Patententzug betroffen sein werden, ist noch nicht absehbar.“Finde sich keine Lösung, weil kein Fischer freiwillig auf das Patent verzichte, werde das Ministerium Kriterien vorgeben und entscheiden.
Die Situation der Bodenseeberufsfischer verschärft sich seit 2010. Die Fangerträge gehen zurück: Haben Fischer vor 30 Jahren noch zehn Tonnen Felchen pro Jahr aus dem Bodensee gezogen, so waren es zuletzt nur noch ein bis anderthalb Tonnen. Die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei hat daher 2015 beschlossen, die Zahl der Patente drastisch zu verringern, damit die verbleibenden wieder mehr fangen können.
„Das war der total falsche Weg“, klagt Stohr. Er sieht auch nicht den Klimawandel als Verursacher, wie jüngst bei einem Vortrag in Lindau angedeutet. Stohr meint vielmehr, dass die Felchen im Bodensee hungern. Sie seien sogar so schwach, dass sie nicht mehr nach oben kommen, wo zudem das Futter entsteht: „Trotz des wärmsten Aprils seit Beginn aller Wetteraufzeichnungen hat sich heuer diese so wichtige Nahrungsgrundlage der Felchen so spät wie selten zuvor und nur in geringem Ausmaß entwickelt.“
Fischer fordern mehr Nährstoffe und kleinere Maschenweiten
Wie mehrfach berichtet, fordern die Fischer deshalb, dem Bodensee wieder mehr Nährstoffe zuzuführen. Die Kläranlagen rund um den See sollten weniger Phosphat rausfiltern und dies stattdessen in den See leiten. Die Behörden wollen den See aber möglichst rein halten. Aus Sicht der Fischer führt das dazu, dass die Zahl der Fische im See zwar so groß ist wie früher, die Tiere seien aber viel kleiner.
Wenn die Behörden diesem Wunsch schon nicht folgen, dann sollten sie aber kleine Maschenweiten erlauben, sagt Stohr. Doch auch das lehne das bayerische Landwirtschaftsministerium ab. Stattdessen wollten die Behörden einem Drittel der bayerischen Berufsfischer das Patent abnehmen.
Stohr weist nun darauf hin, „dass die Berufsfischer in aller Regel seit einigen Jahren nur noch im Nebenerwerb fischen und ihre Hofläden durch Zukauf am Leben erhalten müssen“. Die Folgen wären beträchtlich: Fischer würden zu Gewerbetreibenden, fielen damit aus der landwirtschaftlichen Alterskasse und verlören „ihre kleinen Privilegien im Außenbereich“. Zudem gäbe es keine Förderung aus dem Europäischen Meeresfonds mehr.
„Dann wäre ich von einem auf den anderen Tag mittellos“, malt sich Fabian Schmid die Folgen aus. Der 31Jährige war schon als Kind mit dem Vater auf dem See. Großvater und Urgroßvater haben bereits als Fischer gearbeitet. „Ich war schon immer Fischer und will auch nichts anderes machen“, sagt Schmid.
Die Fischer kämpfen um ihre althergebrachten Rechte. Die Genossenschaft hat einen Anwalt eingeschaltet und die Fischer wollen notfalls über den Klageweg ihre Patente erhalten. Stohr ärgert sich in diesem Zusammenhang darüber, dass keine lange Übergangsphase geplant ist. Denn in etwa 20 Jahren gehen viele der bayerischen Fischer in den Ruhestand, mit Nachwuchs sehe es schwierig aus, da wäre das Verringern der Patentzahl kein Problem.
So wird auch deutlich, warum Österreich und Schweiz weniger Probleme haben mit dem Abbau der Patente. Denn dort gab es ausreichend ältere Fischer, die ihre Lizenzen abgegeben haben. Niemandem dort drohe ein Berufsverbot. So besitzen noch neun Vorarlberger Berufsfischer ein Patent, 2015 waren es noch 15. Einige Fischer gaben ihre Patente aus Altersgründen zurück, andere aus wirtschaftlichen Gründen, einem Fischer wurde das Patent laut dem Amt der Landesregierung aufgrund mehrfacher Übertretung der Vorschriften nicht mehr erteilt.
Die übrigen Fischer dürfen nun sogar mehr Netze auswerfen. Diesen Bonus bekommen Staaten, welche die Vorgaben frühzeitig erreichen. Dass das wegen der anderen Altersstruktur in Bayern und Baden-Württemberg nicht zu schaffen sei, hätten Politik und Behörden aber vor drei Jahren schon gewusst. Solche Fehler ließen sich vermeiden, meint Stohr, wenn die Berufsfischer ein Mitspracheund Stimmrecht in der Internationalen Bodenseefischereikonferenz bekämen. Außerdem sollten die Staaten die „Bregenzer Übereinkunft“von 1893 kündigen, „damit diese endlich eine Form erhält, die einer freiheitlich-demokratischen, europäischen Grundordnung entspricht, wo nicht mehr nur ,angeordnet’, sondern nach bestem Wissen und Gewissen der Konsens für die Fischerei gesucht und mehrheitlich auch gefunden werden wird“.