Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bezaubernde Leichtigkeit und Klanggewitter
Begeisternder Klavierabend mit Dmitry Masleev in Meersburg
MEERSBURG - Mit einem besonderen Highlight haben am Sonntagabend im Spiegelsaal des Neuen Schlosses die Internationalen Schlosskonzerte Meersburg 2018 angefangen. Denn der exzellente Klavierabend fand im Rahmen des Bodenseefestivals statt, zu hören war der Pianist Dmitry Masleev, einer der beiden „artists in residence“. Das Klavierspiel sei ihm in Fleisch und Blut übergegangen, hatte er vorher im Gespräch gesagt, und das bewies der so jung wirkende 30-Jährige mit jeder Faser seines Spiels.
Wie beim Tettnanger Konzert hatte Masleev vier kurze Sonaten von Domenico Scarlatti aufs Programm gesetzt, virtuose Meisterwerke, die eine Brücke schlagen vom Barock zur Frühklassik. Bezaubernde Leichtigkeit prägte die Sonate f-Moll K466, drängender war K1 in d-Moll, lebhaft erinnerte K141 in d-Moll an den Klang einer Mandoline, am Ende stand die lyrische Sonate d-Moll K32. Gespannt verfolgten die Zuhörer den nahtlosen Bogen, den Masleev zum Heute schlug mit zwei Stücken aus dem Piano Book No. 1 von Gabriel Prokofiev, dem zweiten „artist in residence“. Die 2015 mit der Pianistin GeNIA erarbeiteten Stücke suchen eine polystilistische Verbindung zeitgenössischer Musik mit der klassischen Tradition. Tiefe Bass-Cluster, Elemente von Hip-Hop und Tanzmusik sind ebenso zu finden wie romantische Elemente. Rätselhaft mystisch wirkte der Beginn, als fielen Töne in eine unergründliche Tiefe, als bewegten sich Solitäre tastend in einem weiten Raum. Aus dynamischem Sprudeln wurde im zweiten Stück ein wildes, geisterhaftes Treiben.
Und wieder führte Masleev übergangslos weiter zur abschließenden Sonata Nr. 2 in d-Moll op. 14 von Sergej Prokofjew, Gabriel Prokofievs Großvater. Heftige Kontraste prägen die Sonate, die die spätromantischen Züge ablegt und die eigene Handschrift des Komponisten offenbart. Auf einen subtilen, etwas melancholischen Beginn folgt heftige Attacke und unvermittelt Idylle, Gegensätze tun sich auf, die Masleev in transparentem Spiel aufeinander prallen lässt. Ein großer Klangraum wird erkundet, ein helles Thema steigt auf, wird wieder zugedeckt, überrannt. In permanenten Verwandlungen sausen Kobolde vorüber, wechseln drängende, düstere mit hellen Elementen, ein spannendes Wechselspiel von Hell und Dunkel. Mitreißend gestaltet der Pianist den finalen Wahnsinn.
Seine unerschöpfliche Ausdrucksskala hatte Masleev schon im ersten Teil mit zwölf der 18 Stücke für Klavier op. 72 von Peter Tschaikowski erleben lassen. Es sind Stücke, die der Komponist in seinem letzten Lebensjahr aufgeschrieben hatte, in denen manche ein musikalisches Tagebuch sehen, das flüchtige Gedanken festhält, von der Mazurka zur Polonaise und zum Walzer, von „zarten Vorwürfen“bis zu versonnenen Blicken auf eine „ferne Vergangenheit“.
Heiter und sonnig war der dynamische Einstieg, dem ein atmosphärisches Nachtstück folgte, sanft einhüllend wie eine zärtliche Barcarole. Andere evozierten rustikale, herausfordernde Tänze, unbeschwerter Übermut stand neben massivem Klanggewitter.