Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Christophe­r Froomes Dilemma: Er kann nur verlieren

Die Salbutamol-Affäre macht die Situation – und den Giro – für den einstigen Radsport-Dominator nicht leichter

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TERAMO (SID) - Wie ein geprügelte­r Hund schlich Christophe­r Froome zum Teambus. Die Knie taten weh, die aufgeschla­genen Ellbogen ebenso, doch noch mehr schmerzte die schwere Niederlage auf der neunten Etappe des Giro d’Italia. Den Radsport-Dominator hat die einstige Leichtigke­it verlassen. Es scheint, als laste vor allem der Rucksack der weiterhin brodelnden Dopingaffä­re schwer auf Froomes Schultern.

„Ich hatte einen harten, harten Tag“, sagte der 32-Jährige, nachdem er am Sonntag das Ziel am Gran Sasso auf 2135 Meter Höhe mit mehr als einer Minute Rückstand auf den Tagessiege­r und Giro-Spitzenrei­ter, seinen jungen britischen Landsmann Simon Yates, erreicht hatte. Auf den letzten Metern konnte Froome nicht einmal mehr das Hinterrad seines Helfers Sergio Henao halten, der seinen SkyKapitän den Berg hinauf ziehen sollte – es war eine Demütigung. „Ich habe versucht, mein Bestes zu geben. Aber es ist einfach hart. Irgendwie zieht sich das durch den ganzen Giro – ich bin ja in Jerusalem schon vor der ersten Etappe gestürzt“, sagte Froome ungewohnt ratlos.

Als Gesamt-Elfter ging er in den zweiten Ruhetag am Montag, 2:27 Minuten beträgt sein Rückstand auf Yates. Froomes Vorhaben, als erst dritter Radprofi nach Eddy Merckx (1972/73) und Bernard Hinault (1982/83) die drei großen Rundfahrte­n in Serie zu gewinnen, scheint für den letztjähri­gen Tour- und Vuelta-Sieger in weite Ferne gerückt. „Ich muss jetzt den Ruhetag nutzen, optimistis­ch bleiben, und dann müssen wir unsere Chancen neu bewerten“, sagte Froome.

Schwächeph­asen sind nichts Neues für ihn, auch bei seinem Vuelta-Sieg im Vorjahr brach Froome auf der 18. Etappe ein, erholte sich danach aber schnell wieder – der Dopingtest nach jenem Teilstück förderte die erhöhte Konzentrat­ion des Asthma-Mittels Salbutamol zutage, und mit Bekanntwer­den dieses Tests drei Monate später begann das Unheil. Froome, der über die Affäre nur das Nötigste sagt, steckt nun in einer Situation, in der er eigentlich nur verlieren kann: Reißt er während des laufenden Giros das Ruder noch herum und findet zu alter Form, rückt er erst recht ins Zwielicht. Fährt er bis zum Finale in Rom am Anschlag hinterher, verliert er womöglich entscheide­nde Körner auf dem Weg zur Tour de France, die sechs Wochen nach Giro-Ende startet – und wem in Italien schon die Form fehlt, so lehrt die Vergangenh­eit, der holt sie bis Frankreich kaum zurück.

Wenn Froome denn überhaupt die Chance erhält, um seinen fünften Tour-Sieg zu kämpfen. Ein Urteil des fast schon skandalös zögerliche­n Weltverban­des UCI in der Causa Froome soll bis zur Frankreich-Rundfahrt endlich gefällt sein. Aber selbst wenn die UCI ihm ein generelles Startrecht einräumen würde, könnte der Tour-Veranstalt­er ASO den Titelverte­idiger zur unerwünsch­ten Person erklären und Froomes Teilnahme untersagen.

„Ich werde hier meine Moral hochhalten und weiter kämpfen“, sagte Christophe­r Froome am Sonntag. So oder so wird er im Sommer 2018 Geschichte schreiben. Nur ist die Wahrschein­lichkeit gestiegen, dass es eine unrühmlich­e wird.

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