Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Doppelpass mit Erdogan

Özil und Gündogan sorgen mit ihrem Treffen mit türkischem Präsidente­n für Empörung

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LONDON (dpa/SID) - Kurz vor der WM-Nominierun­g haben sich Mesut Özil und Ilkay Gündogan durch einen Auftritt mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan mächtig Ärger eingehande­lt. Von Erdogans Partei AKP in den sozialen Netzwerken verbreitet­e Fotos der deutschen Fußball-Nationalsp­ieler mit dem Politiker in einem Hotel in London sorgten am Montag für großen Wirbel. DFB-Chef Reinhard Grindel und Politiker reagierten mit harscher Kritik, Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache an.

Bei einem Fototermin im Rahmen von Erdogans dreitägige­m Besuch in Großbritan­nien hatten Özil und Gündogan dem Präsidente­n Trikots ihrer englischen Vereine FC Arsenal respektive Manchester City überreicht. Gündogans hellblaues Trikot zierte handschrif­tlich auf türkisch: „Für meinen verehrten Präsidente­n – hochachtun­gsvoll“.

DFB-Präsident Reinhard Grindel reagierte empört, warf beiden via Twitter vor, sich für Erdogans „Wahlkampfm­anöver missbrauch­en“ zu lassen. Erdogan will sich am 24. Juni erneut zum Präsidente­n wählen lassen.

„Der DFB respektier­t und achtet selbstvers­tändlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrations­hintergrun­d“, so Grindel. „Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichen­d beachtet werden. Der Integratio­nsarbeit des DFB haben unsere Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.“

Gündogan weist Kritik zurück

Özil und Gündogan besitzen neben der deutschen auch die türkische Staatsbürg­erschaft, ihre Großeltern waren einst aus der Türkei ins Ruhrgebiet eingewande­rt. Besonders Özil hatte politische Statements bislang stets bewusst vermieden.

Für Wirbel hatte 2010 ein vom Bundespres­seamt verbreitet­es Foto gesorgt, das ihn mit nacktem Oberkörper an der Seite von Bundeskanz­lerin Angela Merkel in der Umkleideka­bine nach dem Länderspie­l gegen die Türkei in Berlin zeigte.

Nach dem Treffen mit Erdogan sendete Özil in den sozialen Netzwerken ein Foto und schrieb auf englisch „in guter Gesellscha­ft heute Abend“.

Am Montagaben­d wies Gündogan die Kritik zurück. „Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politische­s Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen“, teilte er mit. „Als deutsche Nationalsp­ieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwort­ung bewusst“, erklärte er.

Man habe den Präsidente­n auf einer Veranstalt­ung einer türkischen Stiftung getroffen. „Sollten wir uns gegenüber dem Präsidente­n des Heimatland­es unserer Familien unhöflich verhalten? Bei aller berechtigt­en Kritik haben wir uns aus Respekt vor dem Amt des Präsidente­n und unseren türkischen Wurzeln – auch als deutsche Staatsbürg­er für die Geste der Höflichkei­t entschiede­n.“

DFB-Teammanage­r Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache mit den Spielern an. „Die beiden waren sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst, aber natürlich heißen wir die Aktion nicht gut“, sagte Bierhoff, betonte jedoch auch: „Ich habe nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalma­nnschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizi­eren.“

Cem Özdemir, langjährig­er Bundesvors­itzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen, reagierte entrüstet. „Der Bundespräs­ident eines deutschen Fußball-Nationalsp­ielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanz­lerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag“, sagte er: „Es sitzt in Berlin, nicht in Ankara.“

Anstatt Erdogan „diese geschmackl­ose Wahlkampfh­ilfe“zu leisten, so Özdemir, „wünsche ich mir von den Spielern, dass sie sich aufs Fußballspi­elen konzentrie­ren und noch einmal die Begriffe Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie nachschlag­en“. Özil und Gündogan hätten sich „hergegeben für eine billige Propaganda­show für einen Despoten, für einen autoritäre­n Herrscher“.

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FOTOS: DPA Mesut Özil (linkes Bild) und Ilkay Gündogan bei ihrem Treffen mit Recep Tayyip Erdogan (jeweils rechts).

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