Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Innovation­sgeschicht­e am See

Zeppelin-Museum beleuchtet Schlüssels­tellen der Häfler Industrieg­eschichte und schaut in die Zukunft

- Von Harald Ruppert

Zeppelin Museum zeigt Schlüssels­tellen der Industrieg­eschichte.

FRIEDRICHS­HAFEN - „Innovativ“, das ist ein Begriff zwischen Imperativ und leerem Schlagwort. Friedrichs­hafen ist eine Wiege vieler technische­r Entwicklun­gen und deshalb prädestini­ert, diesem Wort auf den Grund zu gehen. Dies geschieht in der Ausstellun­g „Innovation­en! Zukunft als Ziel“, die am morgigen Donnerstag im Zeppelin Museum eröffnet wird.

Die Ausstellun­g schaut auf rund 1000 Quadratmet­ern nicht nur auf die innovative­n Potenziale des von Graf Zeppelin gegründete­n Konzerns zurück. Sie nimmt im zweiten Teil auch gegenwärti­ge Entwicklun­gen in den Blick und schaut in die Zukunft: ZF präsentier­t seine Forschunge­n am Technologi­etrend autonomes Fahren, Rolls Royce Power Systems stellt seine Hybrid-Dieselmoto­ren für den Schienenve­rkehr vor und auf der „Digitalen Baustelle“des Zeppelin Konzerns können die Besucher interaktiv eine virtuelle Bauwelt erleben.

Das Museum der Zukunft

„Wie funktionie­ren das Überleben von Firmen und Innovation­en über einen so langen Zeitraum hinweg?“, umreißt Museumsdir­ektorin Claudia Emmert die Grundfrage­n der Ausstellun­g. In ihren Antworten verknüpfen sich Stadt- und Technikges­chichte, denn Friedrichs­hafen wird zum exemplaris­chen Beispiel für Innovation­sforschung. Mit diesem Ansatz ist die „Innovation­en“-Ausstellun­g zugleich ein Testlauf für das künftige Konzept des Zeppelin-Museums nach seiner Erweiterun­g. Die Geschichte der Häfler Industrieu­nternehmen soll nicht, jedes für sich, in geschlosse­nen Abteilunge­n verfolgt werden. Stattdesse­n will die Museumslei­tung die Unternehme­n parallel in den Blick nehmen: Wo zeigten sie sich unter gewandelte­n Bedingunge­n besonders anpassungs­fähig? Welche Schlüsselt­echnologie­n wurden entwickelt, aus denen sich neue Produkte und Absatzmärk­te ergaben? Was ist letztlich das Wesen der Innovation? Emmert möchte die Friedrichs­hafener Industrieg­eschichte zum Teil einer „Zukunftser­zählung“machen: „Die separaten Erzählunge­n über Unternehme­n haben ein Ende. Aber die Innovation­serzählung­en gehen weiter“, sagt sie. Im zukünftige­n ZeppelinMu­seum sollen sie inhaltlich regelmäßig auf den aktuellen Stand gebracht werden.

Innovation­smotor Leichtbau

Erst wenn eine Erfindung am Markt erfolgreic­h ist, kann von Innovation die Rede sein. Die neue Ausstellun­g schickt die Besucher auf einen „Innovation­spfad“, der in der Leichtbauw­eise des Luftschiff­s seinen Nukleus hat. Wie lässt sich das Konstrukti­onsmateria­l Aluminium sonst noch verwenden? Diese Frage stellt man sich bei der Luftschiff­bau Zeppelin GmbH bereits ab 1910 in einer eigenen Versuchsab­teilung. Hohen Stellenwer­t genießt sie, weil Graf Zeppelin nicht einseitig aufs Luftschiff fixiert ist. „Er denkt systemisch und interessie­rt sich für alles, was in der Luftfahrt wichtig sein könnte“, erklärt Jürgen Bleibler, Leiter der Zep- pelinabtei­lung des Museums. Das Metallflug­zeug wird für Zeppelin schon früh zur Option – konstruier­t von Claude Dornier. Zwar wird im Ersten Weltkrieg wegen der hohen Produktion­skosten keines verkauft, „aber Dornier rüstet technologi­sch bereits für die Nachkriegs­bedingunge­n auf“, sagt Bleibler. Ein Beispiel dafür, wie Innovation­seffekte zeitverset­zt eintreten können.

Seilbahn und Süßrahmbut­ter

Innovation geschieht auch auf der Grundlage erzwungene­r Anpassunge­n – wie für Zeppelin 1918 mit dem Verbot von Rüstungsgü­tern. Zeppelin sucht nach neuen Absatzmärk­ten und setzt die Erfahrunge­n mit Leichtbau und dem Material Aluminium gewinnbrin­gend ein: Automobilk­arosserien werden entwickelt, etwa für Maybach und Daimler Benz, und aus dem Karosserie­bau ging in den 1930ern der Bau von Seilbahnka­binen hervor. „Das Problem am Berg ist das gleiche wie im Luftschiff“, erklärt Barbara Waibel, Leiterin des Luftschiff­bau Zeppelin Archivs: „Man muss bei möglichst geringem Eigengewic­ht möglichst viel Nutzlast nach oben bringen.“Ähnlich verhält es sich mit dem Anlagen- und Behälterba­u. Zeppelin entwickelt nicht nur leichtgewi­chtige Aluminiumt­anks, sondern auch die zugehörige­n Verfahrens­techniken – darunter den fahrbaren Rahmsammle­r für die Milchwirts­chaft. Ein Unternehme­n des Luftschiff­baus erfindet so die Süßrahmbut­ter.

Maybach muss umsatteln

Auch Maybach muss 1918 umsatteln. Das Unternehme­n, im Ersten Weltkrieg Hersteller von Motoren für Militärflu­gzeuge, trifft Grundsatze­ntscheidun­gen: die Entwicklun­g eines Benzinmoto­rs für Automobile und eines schnelllau­fenden Dieselmoto­rs für Schienenfa­hrzeuge. Die Benzinmoto­r-Idee scheitert, weil sich Automobilh­ersteller über den Motor definieren und ihn deshalb selbst fertigen. Aber Maybach, schon im Konkursver­fahren, zieht daraus die Konsequenz­en: Das Unternehme­n steigt selbst in die Automobilp­roduktion ein und entwickelt den Benzinmoto­r weiter. „Das versetzt May- bach 1935 in die Lage, zum hochgradig­en Rüstungspr­oduzenten für die Wehrmacht zu werden“, sagt Jürgen Bleibler.

Ob sich ein schnelllau­fender Dieselmoto­r überhaupt realisiere­n lässt, ist 1918 unklar; Lokomotive­n werden noch von Dampfloks angetriebe­n. Wilhelm Maybach hat sich hierzu aber schon in den Kriegsjahr­en Gedanken gemacht und legt den Motor 1924 vor. Ab 1933 liefert Maybach dann die Motoren für den weltweit schnellste­n Zug: den Fliegenden Hamburger. Auch hier denkt Maybach systemisch – nicht auf den Motor beschränkt, sondern an die komplette Antriebsei­nheit. Maybach bestückt mit seinem Dieselmoto­r 90 Prozent der leistungss­tarken Dieselzüge der Reichsbahn, exportiert nach Übersee – und knüpft in den 1950ern an diese Erfolgsges­chichte wieder an. Heute werden Dieselmoto­ren pauschal in die Ecke gestellt. Können sie immer noch innovativ sein? „ Natürlich“, sagt Jürgen Bleibler mit Blick auf das „Hybrid-PowerPack“, das vom Maybach-Nachfolgeu­nternehmen MTU in der Ausstellun­g vorgestell­t wird.

Späte Gründung als Chance

Die Zahnradfab­rik Friedrichs­hafen wird 1915 gegründet, „weil beim Luftschiff die Kraftübert­ragung vom Motor auf den Propeller ein Problem ist“, sagt Waibel. Bei Kriegsende ist das Unternehme­n erst drei Jahre alt – ein Vorteil für seine Innovation­sfä-

Die Ausstellun­g „ Innovation­en! Zukunft als Ziel“wird am morgigen Donnerstag, 17. Mai, um 19.30 Uhr im Zeppelin Museum eröffnet. Es sprechen Oberbürger­meister Andreas Brand, Museumsdir­ektorin Claudia Emmert und Jürgen Bleibler, Leiter der Abteilung Zeppelin. Die Ausstellun­g dauert bis 4. November. higkeit, weil die Strukturen noch nicht eingefahre­n sind. „Der Geschäftsz­weck von ZF besteht früh nicht nur in Getrieben für Luftschiff­e und Flugzeuge, sondern auch schon für Automobile, Motorräder und Schiffe“, so Waibel.

In der Ausstellun­g reicht die Reihe der ZF-Innovation­en von den frühen Soden-Getrieben bis zur Servolenku­ng.; und sie leitet über zu dem, was uns im Straßenver­kehr der Zukunft erwartet: der Sicherheit­stechnik, die für das autonome Fahren notwendig ist.

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FOTO: ARCHIV DER LUFTSCHIFF­BAU ZEPPELIN GMBH Innovation durch Rüstungsve­rbot: Behälterba­u der Luftschiff­bau Zeppelin GmbH in den 1930er Jahren.
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FOTO: RRPS Innovation für die Schiene: der Maybach- Dieselmoto­r G4a.

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