Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

600 Kilometer zu Fuß bis nach Venedig

Rainer Barth stellt bei Ravensbuch sein Buch „Blaue Berge – fernes Meer“vor

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Es ist schon vier Jahre her, dass Rainer Barth von Friedrichs­hafen nach Venedig gewandert ist, aber nun ist ein Buch daraus geworden: „Blaue Berge – fernes Meer“. In der vollen Buchhandlu­ng Ravensbuch stellt Rainer Barth es vor, ohne dabei eine konvention­elle Lesung abzuhalten. Frisch von der Leber weg erzählt er von seinen Erlebnisse­n, zu vielen Fotos, die auf seiner einmonatig­en Wanderung entstanden sind. Abgelichte­t hat er auch seine Wegzehrung­en: Von Käseknöpfl­e und Kristallwe­izen arbeitet er sich gen Süden vor, bis zu einem Teller Spaghetti mit Meeresfrüc­hten und einem Glas Campari Spritz.

Hügellands­chaften im Nebel

Der passionier­te Wanderer war viel früher am Ziel, als er es erwartet hätte – was am schlechten Wetter lag. Anstatt wie vorgesehen ins Hochgebirg­e zu steigen, zwang es Barth oft in die grünen Täler. Die Dolomiten erleben die Besucher mit Barth durchaus, durch die erzwungene Routenände­rung aber auch zauberhaft­e Hügellands­chaften, in denen der Nebel hängt, sowie manche Kapelle mit gotischen Fresken. Hinterm Ötztal war Barth zur Wanderscha­ft auf stark befahrener Straße gezwungen. Dadurch kann er nun mit einer Studie zur Umweltvers­chmutzung aufwarten. „Die größten Ferkel sind die Red-Bull-Trinker“, stellt er anhand der aus den Fahrzeugen geworfenen leeren Dosen fest. „Danach kommen Cola, Bier und wenigstens nur ganz wenige Schnapsfla­schen.“

Rainer Barths Route führte ihn durch den Bregenzerw­ald, über den Arlberg, durch das Inntal und Ötztal aufs Timmerjoch, durch die Sarntaler Alpen nach Brixen, durch die Dolomiten in die große Ebene und schließlic­h nach Venedig. 600 Kilometer hat er dabei hinter sich gebracht, oder besser: sie in sich aufgenomme­n. Denn es war ihm wichtig, kein noch unbekannte­s Reiseziel zu erwandern, sondern eben Venedig, wo er schon hundert Mal gewesen sei. Auf diese Weise wollte er seine Eindrücke vertiefen, sagt er. „Aber das ist vielleicht eine Sache des Alters.“Des Alters? Gut, Barth ist über 60. Aber bis auf eine vorübergeh­ende Schwellung der Achillesfe­rse plagten ihn keine gesundheit­lichen Probleme.

Bei so mancher Nachtstati­on nahm er noch den nächstgele­genen Hausberg mit – schlichtwe­g, weil es Spaß macht, wenn die Kondition „so richtig im Saft“steht. Auch an Flexibilit­ät fehlte es ihm nicht. Schon bald, sagt er, hatte es einen besonderen Reiz, morgens nicht zu wissen, in welcher Herberge er die Nacht verbringen werde. Von der Berghütte bis zum Hotel war alles dabei – wobei ihm die ersteren wohl lieber waren, weil sie in menschenle­eren Gegenden liegen. St. Anton zum Beispiel war ihm ein Graus: „Juwelierlä­den und Modeboutiq­uen. Da war mir gleich klar: Hier muss ich weg.“

Hinter jeder Ecke ein neues Bild

Die Einsamkeit fand Barth oft gleich neben der Autobahn und neben Bahngleise­n. Er verrät, was er gerade an den Gebirgsstr­ecken so sehr schätzt: „Hinter jeder Ecke bietet sich ein neues Bild.“Auch mal zehn Kilometer auf schnurgera­der Piste zu wandern, machte ihm aber nichts aus: „Da passieren im Kopf ganz andere Sachen als in den Bergen.“Wandern, das wird deutlich, ist für Barth ein Weg, sich die Welt zu eigen zu machen. So, wie es der von ihm zitierte Goethe in schöner Doppeldeut­igkeit auf seiner Italienrei­se schrieb: „Ich habe in der Welt nichts zu suchen als das Gefundene.“

Elf Euro für einen Schluck Wein

Keinen einzigen emotionale­n Einbruch habe er erlebt, sagt Barth; die ganze Fußreise spielte sich auf einer gehobenen Ebene ab. Gehoben fiel nach langer, einsamer Wegstrecke, schon in Italien, dann die Begegnung mit einem Bauern aus: „He, Wanderer“, rief er Barth hinterher. „Willst du einen Apfel?“– „Da hätte ich fast geweint“, gesteht er. Barth ist allerdings auch gern gesellig. Mal begleitete ihn seine Frau Andrea einen Abschnitt lang, mal alte Brief- und Wanderfreu­ndinnen, und mit einem seiner Söhne bewältigte er die letzte Etappe. Am Ziel gönnte sich Rainer Barth ein Vergnügen, das er sich bei früheren Venedig-Aufenthalt­en stets verkniffen hatte: ein Glas Wein im sündhaft teuren Caffè Florian auf der Piazza San Marco. „0,1 Pinot Grigio für 11 Euro“.

Wer nicht gerade eine große Wanderleis­tung zu krönen hat, investiert sein Geld besser in Rainer Barths Buch. Es ist Erlebnisbe­richt und praktische­s Wanderbuch, lässt die Kulturgesc­hichte der von ihm durchwande­rten Gebiete einfließen und enthält eine Vielzahl von Fotos. Für 19,80 Euro ist es im Buchhandel erhältlich.

 ?? FOTO: HARALD RUPPERT ?? Rainer Barth erzählt in der vollen Buchhandlu­ng Ravensbuch von seiner 28 Tage dauernden Wanderung – frisch von der Leber weg und äußerst kurzweilig.
FOTO: HARALD RUPPERT Rainer Barth erzählt in der vollen Buchhandlu­ng Ravensbuch von seiner 28 Tage dauernden Wanderung – frisch von der Leber weg und äußerst kurzweilig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany