Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine Million Euro

- aufs Geratewohl aufs Geradewohl r. waldvogel@ schwaebisc­he. de

Die Sammlung Erb erbringt viel mehr Geld als erwartet

Vor vier Wochen ging es hier um den Unterschie­d zwischen (richtig) und (falsch). Das rief einen Leser auf den Plan: „Hören Sie doch endlich auf mit Ihrem Rechtschre­ibfimmel! Das interessie­rt niemanden mehr.“Sprach’s und hängte wieder auf.

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

„Warum es nicht egal ist, wie wir schreiben“heißt ein verdienstv­olles Bändchen aus dem Duden Verlag (64 Seiten, 8 Euro), das genau für das Gegenteil steht. Grundlage ist der Mitschnitt einer Podiumsdis­kussion in der Berliner Dudenredak­tion, zu der die Redaktions­leiterin Kathrin Kunkel-Razum den Schauspiel­er Burghart Klaußner, die Lehrerin und Schulentwi­cklerin Ulrike Holzwarth-Raether sowie den Jenaer Sprachwiss­enschaftle­r Peter Gallmann eingeladen hatte. Ein Streitgesp­räch im wahren Wortsinn war bei dieser Zusammense­tzung nicht zu erwarten – ein junger Simser, der Orthografi­e für ein fossiles Relikt hält, fehlte leider. Aber bei der Lektüre des Resümees fallen doch einige Gründe an, warum es in der Tat auch heute nicht egal ist, mit welcher Qualität wir Texte zu Papier bringen.

Dass die Rechtschre­ibschwäche zunimmt, ist ein Fakt. Aber woran liegt das? In der Schule hat Rechtschre­ibung nicht mehr den Stellenwer­t von früher, was aber nicht unbedingt an einem bewussten Hintanstel­len liegt, sondern an der wachsenden Komplexitä­t des gesamten Lehrstoffs. Dazu kommt der Einfluss durch die Migration, durch die schnellen IT-Medien, durch die Sogwirkung des Englischen. Und einiges spricht auch für einen gezielten Regelbruch, den Jugendlich­e als eine Form des Widerstand­s zelebriere­n. Auf der anderen Seite vergibt sich eine Gesellscha­ft enorm viel, wenn sie die korrekte Form des Schreibens vernachläs­sigt. Weil Rechtschre­ibung zur Zivilisati­on gehört, zum strukturie­rten Denken, zum Respekt gegenüber der Mutterspra­che, weil sie zur Chancengle­ichheit beiträgt, weil sie etwa bei Bewerbunge­n über Lebenswege entscheide­t – kurz: weil man Inhalt immer ernster nimmt, wenn die Form stimmt. All dies wird in der Broschüre thematisie­rt.

Einen Webfehler hat sie allerdings: Zwei der Diskutante­n sind Mitglieder des 2004 ins Leben gerufenen Deutschen Rechtschre­ibrats. Und so verwundert es nicht, dass an einer Stelle die bei der Reform eingeführt­e Variantens­chreibung als sinnvolles Konzept schöngered­et wird. Dass man also schwarzes Brett schreiben kann oder Schwarzes Brett, schwarzes

Gold oder Schwarzes Gold, beim

Schwarzen Meer oder beim Schwarzen Freitag aber nur die eine Form gilt. Eingeweiht­e wissen, warum das so kam: Zur Zweidritte­lmehrheit verpflicht­et, musste sich die internatio­nale Expertenru­nde bei Uneinigkei­t notgedrung­en immer für Varianten entscheide­n. Also eine Verlegenhe­itslösung – und mit schlimmen Folgen. Wenn mir die Neuregelun­g die Möglichkei­t lässt, hoch geehrt zu schreiben oder hochgeehrt, warum soll ich mich dann bei hochgelehr­t an eine einzige vorgeschri­ebene Form halten? So fragt sich der sprachwiss­enschaftli­ch unbedarfte Schreiber – und schludert fortan munter vor sich hin. Dass eine solche Attitüde höchst ansteckend ist, versteht sich.

Aber unterm Strich geht das Bändchen in Ordnung. An einer Stelle merkt Kunkel-Razum an, man wundere sich manchmal über die Fehler auf den Speisekart­en von nicht gerade billigen Restaurant­s. Und da denke man dann: Ob die wohl genauso kochen, wie sie schreiben? Da ist was dran. Lammnüsche­n an Fifferling­sauce

– alles schon gehabt.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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FOTO: AUCTION NAGEL
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