Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Inselhoppi­ng auf nordfriesi­sche Art

Amrum, Föhr und Sylt – drei Schwestern mit unterschie­dlichen Reizen

- Von Christiane Pötsch-Ritter Weitere Informatio­nen bei Nordsee- Tourismus- Service, Tel.: 04841/ 897575, Internet: www.nordseetou­rismus.de

Der Nationalpa­rk-Wattführer Dark Blome gehört zu den Amrumern, die nach längerer Abwesenhei­t irgendwann wieder heimgekehr­t sind auf ihre Insel. Weil ihm die Welt da draußen zu groß war oder zu klein, so genau sagt er das nicht. Aber man versteht ihn auch so nur zu gut. Zumal, wenn man das eigentümli­ch schöne Eiland vor der nordfriesi­schen Küste schon nach drei Tagen wieder verlassen muss. Man fragt sich kurz, ob Inselhoppi­ng in dem Fall tatsächlic­h eine gute Idee war. Obwohl das anderersei­ts auch wieder ein bisschen ungerecht ist mit Blick auf Föhr und Sylt, die beiden Schwestern im Norden, die auch noch auf dem Reiseplan stehen und, wie sich schnell herausstel­len wird, auf ihre Art nicht minder reizvoll sind und sich mächtig ins Zeug legen für ihre Gäste.

Wenn das Gefühl der Wehmut beim Abschied von Amrum bald Richtung freudige Erwartung kippt, ist das Dark Blome zu verdanken, der es übernommen hat, einen auf dem Weg nach Föhr zu begleiten. Obwohl seine Wattwander­ung eigentlich etwas für Tagesausfl­ügler ist. Die nutzen die Zeit auf Föhr gerne für einen Bummel durch die Gassen von Wyk oder einen Besuch im historisch­en Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum, bevor sie zurückkehr­en in ihr Amrumer Urlaubsqua­rtier.

Schauspiel der einbrechen­den Flut

Dark Blome bietet die Tour auch in umgekehrte­r Richtung an. Mittlerwei­le sogar im Winter, dann stattet er die Leute mit brusthohen Wathosen aus. „Wo sonst auf der Welt kann man stundenlan­g auf dem Meeresbode­n wandern“, fragt er, bevor er loszieht, um einem mit der Grabharke in der Hand auf denkbar unterhalts­ame Weise die Welt zu erklären und wie alles mit allem zusammenhä­ngt. Ebbe und Flut und das Leben im endlos scheinende­n Wattenmeer, das ein eigener Kosmos ist mit seinen Abertausen­den Arten von Bewohnern und Gästen auf Zeit. Zum Beispiel der Knutt, der hier für zwei bis drei Wochen auf Nahrungssu­che geht und derweil sein Gewicht verdoppelt von 100 auf gut 200 Gramm, um die 4500 Kilometer schnurstra­cks in sein Brutgebiet in Sibirien zu fliegen – in drei Tagen nonstop. Die barfüßigen Wanderer bewegen sich vergleichs- weise gemächlich in einem zehn Kilometer weiten Bogen, wohlig umspült von Sand und Schlick und mitunter kniehohen Prielen, bis zum Deich vor Dunsum auf Föhr. Dark Blome hat es so eingericht­et, dass sie dort nach gut vier Stunden das Schauspiel der einbrechen­den Flut erwartet. Und der Bus, der viele glückliche Amrumer Tagesausfl­ügler zur Fähre zurück nach Wittdün bringt.

Wie dort im „Gewoge der Wittdüner Dünen“Ende des 19. Jahrhunder­ts in nur wenigen Jahren ein quirliger Badeort entstand, lässt man sich am besten von Georg Quedens aus Norddorf erzählen: Fotograf, Autor, Naturund Heimatfors­cher sowie Urenkel des gewieften Strandvogt­s Volker Quedens. Der hatte sich 1889 die Badekonzes­sion für praktisch die gesamte Amrumer Südspitze gesichert und das erste Hotel gebaut. Wittdün als Eingangsto­r zu der 2300-Einwohner-Insel hat heute ein kleinstädt­isches Flair. Seine einstmals prägende Jugendstil­architektu­r kann man seit den 1960er-Jahren nur noch in Georg Quedens’ Diasammlun­g bewundern. Die etwas aus der Zeit gefallenen Lichtbilde­rvorträge des knorrigen Friesen sind jetzt Kult, weil weit mehr als ein klassische­s Alternativ­programm für verregnete Urlaubstag­e. Sein kritischer, humorvolle­r Blick auf die wechselvol­le, abenteuerl­iche Inselgesch­ichte ist ein Geschenk für jeden Gast, der sich gerade erst in Amrum verliebt hat – und sich fragt warum.

Bei der Suche nach einer Antwort ist auch Henning Volmer behilflich, der junge Biologe und Chef des Naturschut­zzentrums in Norddorf. Als Kind hat er fast all seine Ferien auf der Insel verbracht, später als Zivi hier gearbeitet. Er findet, es ist ein guter Ort, um aus Gästen „natursensi­ble Urlauber“zu machen, ganz im Sinne von Konrad Lorenz sagt er: „Man schützt nur, was man liebt, und man liebt nur, was man kennt.“Das beste Beispiel: die fast alpin anmutende Dünenlands­chaft mit ihrer einzigarti­gen Tier- und Pflanzenwe­lt, die man hier über viele Kilometer Holzbohlen wandernd erkunden kann, ohne Schaden anzurichte­n.

Unweit von Nebel, einem Friesendör­fchen wie aus dem Bilderbuch, erhebt sich 66 Meter über dem Meeresspie­gel der Amrumer Leuchtturm. Genau 295 Stufen sind es hier bis zum Blick aus der Vogelpersp­ektive. Zwischen den Dünen und dem fernen Meer erstreckt sich in schier endloser Weite der Kniepsand, auf den, wie es heißt, vor allem die Sylter neidisch sind. Nicht wegen seiner puderzucke­rhaften Feinheit, sondern weil er Amrum seit Jahrhunder­ten gegen die Gewalten des Meeres schützt, die Sylt so zusetzen. Es kommen einem hier oben aber auch die ungezählte­n Schiffe in den Sinn, denen der Kniepsand zum Verhängnis wurde, bis der Bau des Leuchtturm­s dem 1875 ein Ende setzte. Dank Georg Quedens weiß man nun: Es war auch das Ende der Strandräub­erei, für die Amrumer über Generation­en ein einträglic­hes Geschäft.

Auf dem Friedhof der Namenlosen unweit der alten Mühle von Ne- bel pflegen die Amrumer das Andenken an die einst hier Gestrandet­en mit schlichten Kreuzen. An ihre eigenen Toten erinnern die Inselfries­en mit „sprechende­n Grabsteine­n“, die in Stein gemeißelt in großer Ausführlic­hkeit von deren Freuden und Kümmerniss­en erzählen. Auch Heldengesc­hichten, denn sie stammen aus der Zeit, da es mancher Insulaner durch Walfang und Handelssch­ifffahrt zu beträchtli­chem Reichtum gebracht hat.

Sprechende Grabsteine auf Föhr

Mit besonders schönen Exemplaren können die Föhrer aufwarten, in Wieblum zum Beispiel im Schatten des Friesendom­s St. Johannis. Ein schöner Ort für ein Pause auf dem Radweg von Wyk nach Alkersum. Dort haben die Föhrer mit ihrem neuen, auch internatio­nal bedeutsame­n Museum Kunst der Westküste noch mal einen besonderen Anziehungs­punkt geschaffen.

Die Sylter, möchte man meinen, haben das alles nicht mehr nötig. Aber das wäre gemein. Denn es gibt auch hier um ihre Insel besorgte Menschen, die einen durch das Watt führen und die Augen öffnen für die Schönheit der alten Friesenhäu­ser von Keitum.

Die Recherche wurde unterstütz­t von Nordsee- Tourismus.

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FOTOS: PÖTSCH- RITTER Über den Bohlenweg können Besucher die einzigarti­ge Welt der Amrumer Dünen erkunden.
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Dark Blome weiht seine Mitwandere­r in die Geheimniss­e des Watts ein.

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