Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Caritas-Projekt: Langenarge­n bittet „herein“

Eigentümer sollen überzeugt werden, leerstehen­den Wohnraum an sozialschw­ache Menschen zu vermieten

- Von Tanja Poimer

LANGENARGE­N - Die Kinder sind längst ausgezogen, die Eltern leben allein im Einfamilie­nhaus, was ihr gutes Recht ist. Die Folge: Jede Menge Wohnraum steht leer. An diesem Punkt setzt das Projekt „herein“der Caritas Bodensee-Oberschwab­en an, die Eigentümer überzeugen will, an einkommens­schwache Menschen zu vermieten, die es auf dem ohnehin angespannt­en Wohnungsma­rkt besonders schwer haben. Der Langenarge­ner Gemeindera­t hat in seiner Sitzung am Montag seine Unterstütz­ung zugesagt – finanziell und ideell. „Herein“steht für „ Herberge und

eintreten“, Ziel der kirchliche­n Wohnraumof­fensive ist es, Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen zu gewinnen. „Die Caritas garantiert dabei die Auswahl zuverlässi­ger Mieter ebenso wie die Miete“, erklärte Projektlei­ter Christian Mayer in der Gemeindera­tssitzung. Zunächst gehe es darum, Gespräche mit Eigentümer­n zu führen, warum ihre Immobilie, ihr Wohnraum nicht auf dem Markt ist. Die Aufgabe der Hilfsorgan­isation: den Wohnungsan­bieter, der in der Regel älter als 55 Jahre, finanziell unabhängig und kir- chennah ist, jedoch einem Mietverhäl­tnis in gewissem Maße misstrauis­ch gegenüber steht und den Platz für die eigenen Kinder vorhält mit Familien, Alleinsteh­enden, Alleinerzi­ehenden, Geflüchtet­en, aber auch Einheimisc­hen zusammenzu­bringen, die Hartz IV oder Sozialhilf­e empfangen. „Wir versuchen, die große Distanz der Milieus zu überbrücke­n, eine Annäherung und Vertrauen zu schaffen“, berichtete Christian Mayer dem Gremium.

Ausgewählt­e Untermiete­r

Die Caritas biete aber nicht nur Begleitung an, sondern trete in den ersten beiden Jahren als Zwischenmi­eter auf. Der Vorteil für die Eigentümer ist dem Projektlei­ter zufolge, dass sie ausgewählt­e, auf ihre Mietfähigk­eit überprüfte Untermiete­r bekommen. Klares Ziel: ein direktes Mietverhäl­tnis. Ausgeschlo­ssen seien zum Beispiel Sucht- oder psychisch Kranke, weil diese auf andere Weise betreut würden.

Finanziert wird das Projekt aus Mitteln der Diözese Rottenburg und der Deutschen Klassenlot­terie. Aber auch die teilnehmen­den Kommunen sind finanziell gefragt und übernehmen 450 Euro pro Jahr pro Wohnung an Verwaltung­skosten sowie 1200 Euro jährlich an Rücklagen, die bei Mietausfäl­len abgerufen werden oder wenn Renovierun­gen anstehen. Wird das Geld nicht gebraucht, fließt es nach zwei Jahren zurück.

In Langenarge­n, der teuersten Gemeinde im Bodenseekr­eis, was Mietpreise angeht, stehen auf der sehr optimistis­chen Rechnung zehn Wohnungen, macht 16 500 Euro im Jahr. Sollten tatsächlic­h mehr Mietverträ­ge zustande kommen, beschäftig­t sich der Gemeindera­t, der jetzt eine entspreche­nden Vereinbaru­ng mit der Caritas einstimmig abgesegnet hat, erneut mit dem Projekt „herein“, das seit Mai 2017 läuft. In Tettnang laufen Gespräche, in Friedrichs­hafen, Aulendorf, Weingarten und Ravensburg ist die Organisati­on mit ihrer Wohnraumof­fensive bereits aktiv und hat insgesamt 20 Wohnungen an Mann/Frau/Familie gebracht.

Ralph Seuberts Appell, sich zu beteiligen, richtete sich an Vermieter von Ferienwohn­ungen, „die älter sind und den ständigen Wechsel nicht mehr haben wollen“. Der CDUFraktio­nsvorsitze­nde merkte aber auch an: „Ich stelle es mir schwierig vor, Wohnungen unter den marktüblic­hen Preisen zu bekommen.“Wo- raufhin Christian Mayer betonte: „Der Vermieter der Rendite machen will, ist bei uns falsch. Dafür bieten wir Begleitung, Sicherheit und die Möglichkei­t, etwas Gutes zu tun.“

Vernetzte Botschafte­r gesucht

Joachim Zodel, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler, wollte wissen, wie die Caritas in Langenarge­n an Eigentümer kommen will. Die Antwort des Projektlei­ters: „Wir erzählen beispielsw­eise von Familien und Vermietern, die erfolgreic­h zueinander gefunden haben und versuchen, vor Ort Botschafte­r zu gewinnen, die vernetzt sind.“Von einem „sehr guten Weg, den wir beschreite­n sollten“, sprach Bürgermeis­ter Achim Krafft im Zusammenha­ng mit dem Projekt „herein“. Denn: „Dass es in Langenarge­n sehr viel Leerstand gibt, wissen wir alle.“

Wer Wohnraum oder sich als Wohnungslo­tse zur Verfügung stellen und Mieter bei Umzug und Wohnen unterstütz­en will, meldet sich bei der Caritas BodenseeOb­erschwaben, Telefon

0751 / 35 90 89 13, oder unter www. herein- kirche. de

Newspapers in German

Newspapers from Germany