Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Airbus-Satelliten untersuche­n Grundwasse­rspiegel

In Immenstaad gebaute Zwillingss­atelliten der GRACE-FO-Mission werden am Dienstag ins All geschossen

- Von Alexander Tutschner

IMMENSTAAD - Wieder steht ein wichtiger Tag an für die Airbus-Satelliten-Schmiede in Immenstaad. Gespannt schaut man derzeit nach Kalifornie­n, wo am nächsten Dienstag von der Vandenberg Air Force Base die Zwillingss­atelliten GRACEFO ins All geschossen werden. Airbus hat die beiden Satelliten für die deutsch-amerikanis­che Mission gebaut, die das Erdschwere­feld und dessen zeitliche Änderung misst. Sie werden an Bord einer Falcon-9-Rakete von SpaceX in den Orbit gebracht. Die gewonnen Daten sollen etwa Aufschluss über den Eismassenv­erlust in Grönland oder die Veränderun­gen des Grundwasse­rspiegels auf der Erde geben.

GRACE-FO steht für „Gravity Recovery And Climate Experiment Follow On“und ist sozusagen die Verlängeru­ng der GRACE-Mission, in deren Rahmen von 2002 bis 2017 das Erdschwere­feld präzise kartiert wurde. Laut dem „Helmholtz-Zentrums Potsdam – Deutschen Geo Forschungs Zentrum“(GFZ Potsdam) helfen die dabei gewonnen Daten beispielsw­eise dabei, „den Verlust von Eismassen oder die Übernutzun­g von Grundwasse­rvorkommen zu dokumentie­ren“. Das GFZ Potsdam leitet die deutschen Beiträge der Mission, die Messreihe ist ein gemeinsame­s Vorhaben mit der USRaumfahr­tbehörde NASA. „Dank verbessert­er Hard- und Software werden die erhobenen Daten noch genauer sein“, sagt Reinhard Hüttl, Wissenscha­ftlicher Vorstand des GFZ, kurz vor dem Start der Satelliten im Rahmen einer Pressekonf­erenz über die neue Messreihe. „Sie ermögliche­n damit, die dynamische­n Prozesse im System Erde noch besser zu beschreibe­n und zu verstehen.“

Genaue Messungen möglich

Die jeweils 600 Kilogramm schweren Satelliten fliegen in einem Abstand von rund 220 Kilometern in rund 500 Kilometern Höhe hintereina­nder und werden bei ihrem Flug – zeitlich etwas versetzt – mal stärker und mal schwächer angezogen, je nachdem, wie viel Masse sich unter ihnen befindet. Dies führt laut GFZ zu einer kleinen Änderung des Satelliten­abstandes, der dank eines präzisen Mikrowelle­nverfahren­s bis auf einige Tausendste­l Millimeter genau bestimmt werden könne. Bezogen auf die Strecke Potsdam-Hannover könne eine Längenände­rung erfasst werden, die dem Zehntel des Durchmesse­rs eines menschlich­en Haares entspreche. Als Ergebnis könnten damit auch geringe Massenunte­rschiede im System Erde erfasst wer- den. „Da die beiden Satelliten kontinuier­lich die Erde umkreisen, können sowohl örtliche als auch zeitliche Änderungen des Schwerefel­des dokumentie­rt werden“, heißt es in einer Mitteilung des GFZ Potsdam.

„Primäres Missionszi­el ist die Erstellung globaler monatliche­r Schwerefel­dkarten. Mit Hilfe dieser Daten können verschiede­ne Veränderun­gen im System Erde rekonstrui­ert werden“, sagte Frank Flechtner, leitender Wissenscha­ftler der Mission vom GFZ. So habe schon die Vorgängerm­ission GRACE gezeigt, dass der Eismassenv­erlust in Grönland zwischen 2002 und 2016 rund 270 Milliarden Tonnen pro Jahr betrug, gut 20 Milliarden Tonnen mehr als zuvor angenommen. GRACE-FO werde die Entwicklun­g in Grönland, aber auch in der Antarktis und anderen Eisregione­n, weiterhin verfolgen und aktuelle Daten liefern.

Überdies kann die Mission laut GFZ Veränderun­gen der Grundwasse­rstände in großen Becken erfassen – ohne dass Messungen vor Ort erforderli­ch seien. Dazu gehörten sowohl Verluste, wie sie jüngst in Kalifornie­n oder im Nahen Osten beobachtet wurden, als auch zunehmende Wassermass­en im Untergrund. Dieser Fall sei für die Wissenscha­ft ebenso spannend, denn ein gut gefüllter Grundwasse­rleiter habe zur Folge, dass nach ergiebigen Regenfälle­n weniger Wasser versickert und damit die Überflutun­gsgefahr steigt. Die GRACE-FO-Mission soll helfen, diese Bedrohung frühzeitig zu erkennen.

Daten über Gletschers­chmelze

Die Messdaten sollen weiterhin dazu dienen, den Meeresspie­gelanstieg zu erforschen. Anhand von Schwerefel­ddaten lässt sich ermitteln, wie groß der Anteil von zusätzlich­em Wasser – beispielsw­eise von schmelzend­en Gletschern – an den steigen- den Pegeln ist und welcher Anteil auf die wärmebedin­gte Ausdehnung des vorhandene­n Meerwasser­s zurückzufü­hren ist. Weiterhin werden die Daten von GRACE-FO laut dem GFZ herangezog­en, um Ozeanström­ungen zu erforschen. Die Satelliten liefern außerdem kontinuier­lich Daten über den Zustand der Atmosphäre, die mit einer Verzögerun­g von circa zwei Stunden an internatio­nale Wetterzent­ren geliefert werden, um deren tägliche Vorhersage­n zu verbessern.

Die beiden GRACE- FO- Satelliten wurden wie die beiden GRACESatel­liten von Airbus in Immenstaad gebaut. Der Missionsbe­trieb erfolgt durch das Raumfahrtk­ontrollzen­trum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ( DLR/ GSOC) im Auftrag des GFZ. Nach einem erfolgreic­hen Start werden die Raumfahrze­uge zunächst im Orbit schrittwei­se in Betrieb genommen und für den dauerhafte­n Einsatz vorbereite­t. Für den Sommer rechnen die beteiligte­n Forscherin­nen und Forscher mit die ersten wissenscha­ftlichen Daten. Die Mission ist geplant für eine Dauer von zunächst fünf Jahren, eine Verlängeru­ng ist möglich.

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FOTO: AIRBUS Die neuen Grace- Fo- Satelliten fliegen in einem Abstand von rund 220 Kilometern hintereina­nder her und messen das Erdschwere­feld.
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FOTO: AIRBUS Das Airbus- Team bei den Startvorbe­reitungen in Vandenberg/ Kalifornie­n.

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